Kaisergewänder im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung
Im Diözesanmuseum Bamberg haben sich sechs goldbestickte Gewänder aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts erhalten. Sie sind Hauptzeugnisse ottonischer Textilkunst und schließen als Kulturgut ersten Ranges eng an den Status Bambergs als UNESCO-Weltkulturerbe an.
Sie sind die ältesten Gewänder im Kontext europäischer Herrscher und erinnern an die Gründer des Bistums Bamberg, Kaiser Heinrich II. (973-1024, reg. 1014-1024) und seine Gattin Kunigunde (gest. 1033). Seit dem späten 14. Jahrhundert wurden sie als hochverehrte Reliquien des heiligen Stifterpaares bei den Bamberger Heiltumsweisungen gezeigt. Aber auch darüber hinaus konnte man sich die Gewänder zeigen lassen und sie in der Hoffnung auf Heilung berühren.
Ihr Reliquienstatus ist der Grund für ihre Erhaltung. Doch diese Nutzung machte zahlreiche Reparaturen notwendig.
Seit dem 18. Jahrhundert drängte die Forschung den Reliquiencharakter zunehmend in den Hintergrund. Daher konnten sie später zur Legitimation des jungen Deutschen Kaiserreiches instrumentalisiert werden, das sich in die Tradition der mittelalterlichen Kaiser stellen wollte. Dadurch konnte bei der Restaurierung in den 1950er Jahren zum Teil erneut massiv in die Gewänder eingegriffen werden, um dem Anspruch "kaiserlicher Textilien" gerecht zu werden.
Die mehrfachen Veränderungen konnten durch das DFG-Projekt "Kaisergewänder im Wandel – Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung" (2015-2020) aufgezeigt werden. Aufgrund der Bedeutung für die kulturelle Identität Bayerns führt die virtuelle Ausstellung in die 1000jährige Veränderungsgeschichte der Bamberger Kaisergewänder ein und erleichtert so den Einstieg in die Sammlung. Dazu bietet die virtuelle Ausstellung zwei Zugriffsmöglichkeiten.
Einerseits besteht über die Objekt-Ebene die Möglichkeit, die einzelnen Gewänder unabhängig zu betrachten und die Entwicklung des individuellen Objekts nachzuvollziehen.
Andererseits ermöglicht der Zugang über die Zeit-Ebene eine vergleichende Betrachtung aller sechs Gewänder in den drei Zeitabschnitten, in denen sie die meisten Veränderungen erfahren haben: der Neuzeit, dem Spätmittelalter und dem 11. Jahrhundert.
Darüber hinaus bietet die virtuelle Ausstellung ein besonderes Highlight: die Umschriften des blauen Kunigundenmantels greifen Kirchengesänge der Entstehungszeit auf. 13 Gesänge wurden entsprechend der Aufführungspraxis des 11. Jahrhunderts erstmals eingesungen.
Tanja Kohwagner-Nikolai