Notgeldscheine von Heinz Schiestl

Unter den Gestaltern für Notgeld nimmt der Bildhauer und Grafiker Heinz Schiestl (1867-1940) eine wichtige Rolle ein. 1873 zog seine Familie von Tirol nach Würzburg, wo sein Vater eine Bildschnitzer-Werkstatt unterhielt. Alle drei Söhne erhielten dort eine Ausbildung in Schnitzerei und in der Restaurierung von Kunstwerken. 1895 übernahm Heinz Schiestl die Werkstatt des Vaters. Zu seinen großen Aufträgen in Würzburg zählten die Gestaltung von Figuren und Reliefs am neogotischen Hochaltar von St. Burkard und der St.-Anna-Altar der Kirche St. Adalbero. Heinz Schiestl, der sich selbst in erster Linie als Bildhauer verstand, sah die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Arbeit seines Vaters in der Tradition des tirolischen Holzbildhauers fortzuführen. Er schuf vor allem kunstgewerbliche Plastiken, zahlreiche Altäre, Kreuzwegstationen und weitere Ausstattungen für Kirchen im fränkischen Raum. Beeinflusst wurde sein Werk durch die fränkische, aber auch tirolerische Spätgotik. Insbesondere die Formensprache Tilman Riemenschneiders war ein Vorbild für Schiestls Werke.

Das grafische Schaffen Schiestls findet vor allem in seiner Gestaltung von Notgeld Ausdruck. 1917 erhielt er einen Auftrag zur Gestaltung von Notgeldscheinen für Lindenberg im Allgäu. Schiestl hatte bereits im Jahr zuvor einen Kreuzweg für die Pfarrkirche gestaltet. In den Kriegsjahren erhielt Schiestl nur wenige Aufträge für Plastiken, die Gestaltung von Notgeld bildete daher eine zusätzliche Einkommensquelle. Die Serie für Lindenberg, hergestellt in Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Druckerei J. A. Schwarz, wurde begeistert aufgenommen. Aufträge aus 57 weiteren Gemeinden im Deutschen Reich folgten.

Die Kooperation mit der Druckerei Schwarz setzte Schiestl fort: Bei Auftragseingängen empfahlen sich Grafiker und Druckerei gegenseitig. Schiestl setzte sich für jede Serie intensiv mit der jeweiligen Ortsgeschichte und lokalen Besonderheiten auseinander und traf mit der Gestaltung für jeden Ort deutliche charakteristische Aussagen. Dabei zeugen die Notgeldscheine auch von Schiestls bereits im plastischen Werk entwickelten Stil: Häufig greift die Formensprache gotische Elemente auf. Für das Notgeld diente diese spätmittelalterliche Ornamentik nicht nur dem ästhetischen Anspruch, sondern auch der Sicherheitstechnik. Da bei dem Druck von Notgeld kein Sicherheitspapier mit Wasserzeichen verwendet wurde, erhöhten die komplizierten Druckmotive die Fälschungssicherheit.