Beschreibung
Das Handwerk der Mumifizierung, also der Konservierung des Körpers für eine erhoffte, ewig währende Fortexistenz im Jenseits, blickt im antiken Ägypten auf eine lange Tradition zurück. Zum Schutz wurde der Körper der Verstorbenen in viele Lagen aus Leinenbinden gewickelt oder in Kartonage aus Papyrus gehüllt. Das Gesicht wurde mit einer Mumienmaske bedeckt. In römischer Zeit ersetzte man die Mumienmaske durch eine Holztafel, die auf Höhe des Kopfes in die Mumienbinden mit eingewickelt wurde. Auf den frei bleibenden Ausschnitt war das Porträt des Verstorbenen gemalt.
Solche Mumienporträts, die in der Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert nach Christus entstanden, zeichnen sich durch intensive Farben, subtile Schattierungen und insgesamt durch eine große Lebensnähe und Lebendigkeit aus. Das liegt nicht zuletzt an der Leuchtkraft der Wachsfarben, die in enkaustischer Technik auf den Bildträger aufgetragen wurden. Der Begriff wird vom griechischen Wort "enkaio" (einbrennen) hergeleitet und meint, dass der Maler die Wachsfarben erhitzen musste, um sie flüssig oder wenigstens zähflüssig verarbeiten zu können.
Aufgrund des trockenen Klimas Ägyptens haben sich organische Materialien bis heute sehr gut erhalten – so auch diese Holztafel der Münchner Antikensammlungen. Das Mumienporträt wurde 1892 bei Grabungen in Hawara, nahe der Oase Fayyum, gefunden.
Entstanden in den Jahren um 140 nach Christus, zeigt das Bildnis einen jungen Mann aus der Oberschicht des kaiserzeitlichen Ägyptens. Sein Untergewand, die Tunica, hat purpurne Streifen, wie sie Mitglieder der römischen Senatsaristokratie als Rangabzeichen trugen. Die Leuchtkraft der Farben ist bis heute fast ungebrochen und macht diese Mumienporträts zu einer bemerkenswerten Objektgruppe, die uns viele Details über die Menschen der Antike näherbringen kann. Auch wenn die Bildnisse sicher bis zu einem gewissen Grade idealisiert sind, zeigen moderne 3D-Rekonstruktionen einiger Mumien, bei denen Körper und Porträt noch gemeinsam aufgefunden wurden, eine überraschend genaue Übereinstimmung.
Schaut man dem Jüngling unseres Bildnisses in die Augen, versteht man die Faszination des Italieners Pietro della Valle, der 1615 erstmals in Sakkara auf solche Porträts stieß und über deren "zierlichsten Anblick der Welt" schwärmte.