Beschreibung
Man musste schon sehr geübt sein, um aus diesem ungewöhnlichen Doppelgefäß (Guttrolf) zu trinken, ohne sich zu bekleckern: Beim Ansetzen gelangte das Getränk nämlich aus dem unteren, kugeligen Glaskörper durch das mittlere Verbindungsstück in den oberen Becher. Gleichzeitig jedoch schwappte auch ein wenig Flüssigkeit in die vier Rüssel, die sich am kugeligen Gefäßteil öffnen. Wenn man das seltsame Gefäß hingegen absetzte, blieb Flüssigkeit in den anderen, obenständigen vier Rüsseln zurück, so dass sich Zustand und Schwerpunkt bei jedem Zug unberechenbar veränderten. Aus spätrömischer Zeit sind die ersten Vorläufer dieses im ganzen Mittelalter beliebten Trinkbechers bekannt, den man zu den Scherzgläsern rechnet. Kompliziert war seine Fabrikation, musste der Glasbläser doch beide Gefäßkörper an der Pfeife halten und gleichzeitig mit einer Zange die Rüssel anbringen. Selten sind sie im 6. und 7. Jahrhundert überliefert. Es ist erstaunlich, dass dieses extrem empfindliche Trinkgefäß mit der Fundortangabe Unterspiesheim – zweifellos eine Grabbeigabe – nahezu unversehrt erhalten geblieben ist. Es soll in den 70er Jahren von einem Bauern beim Sandabbau gefunden worden sein, zusammen mit zwei oder drei Keramikgefäßen. Über mehrere private Vorbesitzer gelangte die Kostbarkeit 1993 schließlich in den Besitz des Freistaats Bayern.
Autor
Archäologische Staatssammlung München