Beschreibung
Die Felsinschriften vom Schneidjoch in Nordtirol, hier in einer Abformung abgebildet, sind die umfangreichsten vorrömischen Schriftdokumente Österreichs und Süddeutschlands. Die Inschriften sind in einem raetischen Alphabet, dem Alphabet von Sanzeno (Trentino), verfasst, das entfernt mit dem etruskischen verwandt ist. Die Nordtiroler Inschriften wurden in einer höhlenartigen Spalte einer Felswand unterhalb des Schneidjochs in 1440 m Höhe angebracht. Der etwa 3 m tiefe und 4 m hohe Felsspalt verengt sich von rund 2 m Breite nach hinten und läuft nach oben spitz zu. Auf einer fast senkrecht aufsteigenden Felsfläche sind neun Inschriften eingemeißelt: sechs längere mit je etwa 20 Zeichen und drei kürzere. Insgesamt sind es fast 140 Zeichen. Bis auf drei Schriftbänder sind sie linksläufig zu lesen. Die Anordnung der langen Inschriften erfolgte U-förmig. Die Schreibweise ohne Worttrennung sowie die natürlich glatte, aber unebene Felswand, die auch von Rissen durchzogen ist, beeinträchtigen eine Lesung. Personennamen wie „Esimne“ und „Ritalie“ und wiederkehrende Worte wie „nlape“ oder „kastri“ deuten auf einen Votivcharakter der Inschriften. Von dem Ort mit einer kleinen Quelle in einem wasserreichen Gebiet sind trotz archäologischer Untersuchungen keine Funde bekannt geworden. Die Höhle liegt nahe eines Passes, etwas erhöht über einer alpinen Ost-West-Verbindung – vom Achensee zum Thiersee –, die etwas nördlich und abseits des verkehrsgünstigeren Inntals verläuft.
Archäologische Staatssammlung München
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