Johann Christoph Volkamer: Nürnbergische Hesperides
Beschreibung
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) legten wohlhabende Nürnberger Familien im Vorfeld der städtischen Befestigungsanlagen über 300 Gärten an, deren Gestaltung sich an den adeligen Gartenanlagen der Zeit orientierte. Die dort einst befindlichen Häuser und Höfe waren während des Kriegs beseitigt worden, so dass das Land nun von den verarmten Vorbesitzern billig zu kaufen war.
Eine der „Königsdisziplinen“ in der Anlage und Pflege dieser Gärten war die Aufzucht unterschiedlicher Zitrusfrüchte und Pomeranzen, für deren Pflege umfangreiche – auch kostspielige – Einrichtungen wie Orangerien nötig waren. Von diesen „Hesperidenfrüchten“ – der Ausdruck wurde 1646 vom italienischen Botaniker Giovanni Battista Ferrari (1584 – 1655) eingeführt – leitet sich auch die Bezeichnung der Nürnberger Anlagen als „Hesperidengärten“ ab.
Johann Christoph Volkamer (1644 – 1720), Sohn des Nürnberger Arztes und Naturforschers Johann Georg Volkamer (1616 – 1693), hatte von seinem Großvater eine erfolgreiche Seidenhandlung mit Produktion in Rovereto (Italien) geerbt und von seinem Vater eine große Gartenanlage in Gostenhof (heute Nürnberg). Zusätzlich handelte er erfolgreich mit in Nürnberg produzierten vergoldeten Messingblechen, die im Orient und (Süd-)Asien für die Dächer von Moscheen und Tempeln beliebt waren. Mit dem Industriegut Hammer (heute Nürnberg) erwarb er dazu 1711/18 eine eigene Produktionsstätte. Seinen Wohlstand nutzte Volkamer, der regelmäßig nach Italien und bis Konstantinopel reiste, zum systematischen Ausbau seines Gartens, den er mit zahlreichen wertvollen Zitrusbäumen bestückte.
Mit den „Nürnbergische Hesperides“ veröffentlichte Volkamer 1708 seine hortologischen Kenntnisse für die Kultivierung von Zitrusfrüchten, aber auch zu anderen Aspekten der Gartenkunst, von der Planung einer Gartenanlage im allgemeinen bis zur Anlage einer aus Buchs gestalteten Sonnenuhr. Der großformatige Band ist überreich mit Kupferstichen der beschriebenen Pflanzen und Früchte, aber auch von allegorischen Darstellungen und technischen Garteneinrichtungen wie Orangerien ausgestattet, die oft gestalterisch dem Vorbild der „Hesperides“ des Giovanni Battista Ferrari von 1646 folgen. Dabei ließ Volkamer im Hintergrund der botanischen Abbildungen Veduten von Nürnberger Gärten, Gebäuden und Landschaften einarbeiten, durch die der Band auch zu einem Zeugnis für die Nürnberger Kultur am beginnenden 18. Jahrhundert wird.
Angesichts des großen Erfolgs seines Werks veröffentlichte Volkamer 1714 mit der „Continuation“ eine Fortsetzung. Der Schwerpunkt liegt hier neben weiteren Zitrusfrüchten auch auf anderen exotischen Pflanzen, darunter der Ananas, der Kokosnuss oder der Baumwolle. Im Hintergrund der Darstellungen stehen diesmal meistens italienische Landhäuser und Gartenanlagen. Das Werk enthält außerdem mit dem „Obeliscus Constantinopolitanvs“ eine weitere, erstmals 1713 erschienene Abhandlung des Autors. Volkamer hatte 1709 in seinem Garten eine verkleinerte Kopie des Obelisken des Pharaos Thutmosis III. (gest. 1425 v. Chr.) aufgestellt, den er in Konstantinopel hatte. Seine Beschreibung des Obelisken folgt mit der Deutung der damals noch nicht dechiffrierten Hieroglyphen dem Vorbild von Athanasius Kircher SJ (1602 – 1680), wobei Volkamer seinen Obelisken vor allem auch als Friedensdenkmal interpretiert. Der Obelisk, der 1861 auf den zentralen Platz des Industriegutes Hammer aufgestellt wurde, ist der einzige Überrest des einstmals berühmten Hesperidengartens Volkamers.
Literatur
Michael Diefenbacher/Rudolf Endres, Nürnberger Stadtlexikon, Nürnberg 2000.
Nürnberger Gestalten aus neun Jahrhunderten. Ein Heimatbuch zur 900-Jahrfeier der ersten urkundlichen Erwähnung Nürnbergs, Nürnberg 1950.