Quellen zu Leben und Zeit Ludwigs II.

Die folgenden Digitalisate werfen Schlaglichter auf das Königreich Bayern in der Regierungszeit des Königs von 1864 bis 1886. Sie sind zeitgebundene und aus der Zeit zu verstehende Zeugnisse. Bei der Auswahl wurde vor allem auf den Quellenwert und die Zugänglichkeit der jeweiligen Objekte Wert gelegt.
Thronbesteigung 1864
Am 10. März 1864 starb König Maximilian II. von Bayern (1811-1864) überraschend nach kurzer Krankheit, wahrscheinlich einer Blutvergiftung. Damit wurde der 18jährige Kronprinz Ludwig, der gerade erst sein Studium an der Münchener Universität aufgenommen hatte, unvorbereitet König. Die Begeisterung der Bayern war ihm trotzdem sicher. Seine Jugend und seine häufig beschriebene Schönheit hoben sich für die meisten wohltuend von der Zögerlichkeit und geradezu preußischen Nüchternheit ab, die man mit dem verstorbenen König Maximilian verband.
Unter Intellektuellen und Politikern überwogen allerdings die Sorgen. Die für die Souveränität Bayerns bedrohliche außenpolitische Lage des Landes, die im Zeichen des schwelenden Konflikts zwischen Preußen und Österreich stand, machten den Tod Maximilians besonders tragisch. Man befürchtete nicht zu Unrecht, dass der politisch unerfahrene Jüngling den Herausforderungen der Zeit nicht gewachsen sein könnte.
Die hier präsentierte Karte Münchens zeigt die Hauptstadt Bayerns im Jahre 1863, ein Jahr vor der Regierungsübernahme durch Ludwig II. Die Stadt war damals noch nicht sehr über die unter Maximilian I. Joseph (1756-1825) und Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) gesetzten Erweiterungen herausgewachsen und verdeutlicht die von Ludwig II. stets als unangenehm wahrgenommene "Kleinlichkeit" der Stadt.
Anlässlich des Todes Maximilians erschien eine Sammlung von Gedichten auf den König, die vornehmlich von Dichtern aus seinem direkten Umkreis (darunter "Nordlichter" wie Geibel) stammen. Sie zeigen die Betroffenheit des Kreises, dem sich der verstorbene König besonders verbunden zeigte.
Von besonderer Eindringlichkeit ist die Rede, die der einflussreiche Theologe Ignaz von Döllinger (1799-1890) während der Trauerfeier an König Ludwig II. richtete. In ihr, einem rhetorischen Meisterwerk, gibt Döllinger seine eigene Interpretation der Pflichten eines Herrschers und beschwört seinen König, an der Politik seines Vaters festzuhalten. In zahlreichen Auflagen fand sie weite Verbreitung, der persönliche Einfluss Döllingers auf Ludwig sollte aber gering bleiben.
Der König und sein Hof
Die Einstellung Ludwigs II. zum Leben als König war zwiegespalten. Einerseits hatte er durchaus Sinn für die Prachtentfaltung, die er bis in die 1870er Jahre hinein bei verschiedenen Gelegenheiten auslebte; andererseits waren ihm das tägliche Hofleben und die Mitglieder der Adelsgesellschaft mit wenigen Ausnahmen zuwider.
Die hier exemplarisch versammelten Digitalisate beleuchten drei Aspekte aus dem Leben Ludwigs II. Neben einer allgemeinen "Hofgeschichte" bis 1876 steht dabei ein Notendruck für die gescheiterte Verlobung des Königs, während die Ausschnitte aus seinem Tagebuch Schlaglichter auf das komplizierte Innenleben des Königs eröffnen.
1867, während der Verlobung Ludwigs mit seiner Cousine Sophie Charlotte in Bayern (1847-1897), veröffentlichte der bedeutende jüdische Kantor und Komponist Max Georg Löwenstamm (1814-1884) eine Sammlung hebräischer Gesänge, die die geplante Hochzeit des Königs verherrlichten sollten. Die Auflösung der Verlobung am 7. Oktober 1867 macht den Druck zu einer besonderen Rarität.
1925 publizierte Erwin Riedinger (1870-1936), der Stiefsohn von Johann von Lutz (1826-1890), der entscheidend an der Absetzung des Königs beteiligt gewesen war, unter dem Pseudonym Edir Grein die "Tagebuch-Aufzeichnungen von Ludwig II., König von Bayern". Die Schrift - an der Bayerischen Staatsbibliothek unter den Remota eingeordnet - kombiniert kompromittierende Abschnitte aus den Tagebüchern des Königs mit polemischen Kommentaren Riedingers. Da die originalen Tagebücher Ludwigs II. gemeinsam mit zahlreichen weiteren Dokumenten des Geheimen Hausarchivs im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, stellt das Pamphlet trotz seiner Mängel eine Quelle von gewissem Wert dar, sie sollte jedoch nicht ohne Kenntnis der Forschungen Franz Mertas verwendet werden.
Luise von Kobell (1828-1901), die Tochter des Münchener Mineralogen und Volksschriftstellers Franz von Kobell (1803-1882) gehörte von ihrer Familie her zum gehobenen Münchener Bürgertum. 1857 heiratete sie den jungen Juristen August von Eisenhart (1826-1905). Als dieser 1869 Hofsekretär Ludwigs II. wurde, zog sie mit ihm in eine Wohnung im Komplex der Münchener Residenz. Bis zur Entlassung ihres Mannes 1876 gehörte sie nun zum erweiterten Kreis des königlichen Hofstaats.
Unter den vielen Schriften, die Kobell unter ihrem Mädchennamen veröffentlichte, nimmt das Erinnerungsbuch "Unter den vier ersten Königen Bayerns" einen besonderen Platz ein. Vor allem die Abschnitte über Ludwig II. zeigen die Autorin als genaue Beobachterin und gewitzte Chronistin. Von Autoren wie Gottfried von Böhm (1845-1926) wurde Kobell und ihrem Mann politischer Ehrgeiz und eine Tendenz zur Überbetonung eigener Wichtigkeit vorgeworfen; vielleicht deswegen brechen die Erinnerungen Kobells mit der Entlassung ihres Mannes ab. Für die Zeit bis 1876 erweisen sich ihre Schilderungen aber als eine der farbigsten Darstellungen des Hoflebens unter Ludwig II.
Politik
Die bayerische Verfassung sicherte dem König auch nach den Änderungen von 1848 weitreichende Macht zu. So standen ihm die freie Einsetzung und Entlassung seiner Minister und Mitspracherechte bei der Regierungsarbeit zu. Einer tatkräftigen Herrschergestalt wäre es so durchaus möglich gewesen, die Politik Bayerns zu beherrschen. Ludwig II. jedoch brachte in den wenigsten Fällen den Willen auf, sich gegen seine Regierung grundsätzlich durchzusetzen. Zwar arbeitete er die Akten, die ihm vorgelegt werden mussten, bis zu seiner Entmachtung schnell und gründlich ab - ein deutlicher Gegensatz zu seinem Vater Maximilian II. - darüber hinaus mischte er sich nur selten in die Politik ein. Lediglich in Bereichen der Kunst, des Zeremoniells und in Fragen, die seine Souveränität als König betrafen, entwickelte er eigene Initiativen.
Dem Parlament gegenüber verhielt sich Ludwig II. aus seinem Majestätsgefühl heraus reserviert bis ablehnend gegenüber. Eine Einsetzung von Ministern aus der Parlamentsmehrheit der bayerischen Patrioten lehnte er - trotz inhaltlicher Nähe - bis auf zwei halbherzige und gescheiterte Versuche ab. Stattdessen stützte er sich lieber auf die kleindeutsch-preußisch eingestellte Minderheit aus der Fortschrittspartei. Die gesammelten Thronreden und Adressen im bayerischen Landtag verdeutlichen diese Ablehnung der (beschränkten) Demokratie vor allem auch im Vergleich zwischen den wenigen und kurzen Reden Ludwigs mit denen der anderen Herrscher Bayerns.
Drei autobiographische Schriften stehen exemplarisch für die bayerische Politik unter Ludwig II.
Die stark paraphrasierten Aufzeichnungen Eduard von Bomhards (1809-1886) - 1864 bis 1867 Justizminister - beleuchten dabei die idealistischen Anfänge der Regierungszeit Ludwigs, eine Phase, die rasch mit der Niederlage im Deutschen Krieg ihr Ende fand.
Das politische Leben des Grafen Otto von Bray-Steinburg (1807-1899) erstreckte sich im Vergleich dazu über einen weit größeren Zeitraum; die veröffentlichten Teile seiner Papiere beschränken sich aber vornehmlich auf seine Zeit als Außenminister und Vorsitzender im Ministerrat 1870/71. Während dieser Zeit führte Bray-Steinburg die Beitrittsverhandlungen Bayerns zum Deutschen Reich, ohne sich dabei gegen das politische Geschick Otto von Bismarcks behaupten zu können.
Einen besonderen Platz nehmen die dreibändigen "Denkwürdigkeiten" des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1899-1901) ein. Dieser war seit 1846 Mitglied der Kammer der Reichsräte in Bayern. 1849 war er kurze Zeit Reichsgesandter der Nationalversammlung in London. Nach der bayerischen Niederlage 1866 ernannte Ludwig den Fürsten zum Vorsitzenden im Ministerrat, nicht zuletzt weil der gemäßigt kleindeutsch eingestellte Hohenlohe-Schillingsfürst über gute Kontakte zum preußischen Hof verfügte. 1870 reichte er nach einem Misstrauensvotum des Landtags seinen Rücktritt ein. Nach der Gründung des Deutschen Reichs engagierte sich Chlodwig in der Bundespolitik als Reichstagsabgeordneter, deutscher Gesandter in Frankreich und Reichsstatthalter in Elsaß-Lothringen. 1894 bis 1900 war er der dritte deutsche Reichskanzler, wobei die reale Macht ab ca. 1897 bei Bernhard von Bülow (1849-1929) lag.
Die Aufzeichnungen des Fürsten sind - da er selbst vor einer Bearbeitung verstarb - trotz Eingriffe der Herausgeber von besonderer Eindrücklichkeit und Präzision, dabei freilich keinesfalls frei von Subjektivität. Als Spross eines ehemals reichsfreien Fürstengeschlechts sah sich Hohenlohe-Schillingsfürst mit den Herrschern seiner Zeit gleichrangig, weswegen er über Monarchen wie Ludwig II., aber auch Kaiser Wilhelm II., die dies nicht anerkannten, besonders schonungslos urteilte. Auch deswegen wurden seine Aufzeichnungen aus der Phase seiner Reichskanzlerschaft erst nach dem Ende der Monarchie veröffentlicht.
Die Einigungskriege 1866 und 1870/71
Im Dualismus zwischen Preußen und Österreich-Ungarn versuchte das Königreich Bayern bereits unter König Maximilian ein "drittes Deutschland" der süd- und mitteldeutschen Staaten unter bayerischer Führung zu etablieren. Diese Politik war beim Tode Maximilians weitgehend gescheitert. Dennoch hielt der junge Ludwig II. unter dem weiter amtierenden Minister Ludwig von der Pfordten (1811-1880) daran fest.
Obwohl die bayerische Armee der preußischen erkennbar nicht gewachsen war, nahm die bayerische Politik einen Krieg in Kauf, der nach einer Eskalation in der Schleswig-Holsteinfrage 1866 ausbrach. Obwohl Bayern lediglich ein Nebenschauplatz war, erlitt die bayerische Armee empfindliche Niederlagen gegen die preußischen Einheiten. Allein Bismarcks Kalkül verhinderte beim Friedensschluss von Prag größere Gebietsverluste Bayerns, das jedoch in der Folge geheime Bündnisse mit dem Norddeutschen Bund eingehen musste.
Die Einigungspolitik Bismarcks fand ihren Abschluss im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Obwohl Ludwig II. den Krieg ablehnte und seine Folgen voraussah, versuchte er, die politische Initiative zu ergreifen und dadurch wenigstens die Souveränität Bayerns zu erhalten. Die bayerische Armee folgte deswegen besonders rasch dem Aufruf zur Bündnishilfe. In der Folge gelang es dem König allerdings nicht, einen Beitritt Bayerns zum Deutschen Reich zu verhindern; zudem musste er mit dem von Bismarck vorformulierten "Kaiserbrief" dem ihm verhassten preußischen König die Kaiserkrone antragen. Im neuen Deutschen Reich blieben Bayern zwar einige Reservatrechte, die jedoch nicht über den Machtverlust des Landes hinwegtäuschen konnten. Diese, von Ludwig II. sehr bewusst wahrgenommene persönliche Niederlage bildete das entscheidende Moment, das zum völligen Rückzug des Königs aus der Öffentlichkeit führte.
Die vorliegenden Digitalisate ermöglichen Einblicke in die Umbrüche dieser Jahre. Karten veranschaulichen die Position Bayerns in Deutschland vor und nach dem Krieg von 1866; ein anonym erschienener Erlebnisbericht zu den Kriegsgeschehnissen bei Bad Kissingen steht im Kontrast zur rechtfertigenden offiziellen Darstellung der Leistungen der bayerischen Armee.
Für die Ereignisse im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 stehen ganz im Bann der deutschen Einigung stehende Produkte wie ein Kartenspiel, das Uniformen Bayerns zeigt oder eine Ballade zur Schlacht von Wörth, das die neue Waffenbruderschaft von preußischen und bayerischen Truppen verherrlicht. Ein von Historiker Erich Brandenburg (1868-1946) herausgegebenes Regestenwerk wirft Licht auf die komplizierten Beitrittsverhandlungen von Versailles; schließlich steht ein von Felix von Blocken verfasstes Tabellenwerk für die Einbindung Bayerns in das neue Deutsche Reich, das mit der Einführung neuer Maße und Gewichte sowie einer neuen Währung, der Mark, einherging.
Theater und Musik
Nicht mehr allgemein bekannt ist das große Engagement Ludwigs II. für das aus der königlichen Kabinettskasse finanzierte Hof- und Nationaltheater in München. Während seiner gesamten Regierungszeit setzte sich Ludwig bis ins Detail mit Spielplänen und Inszenierungen an "seinen" Bühnen (vor allem der heutigen Staatsoper, später auch am Theater am Gärtnerplatz und dem Alten Residenztheater) ein. Unter anderem veranlasste er Mustervorstellungen des Gesamtwerks William Shakespeares, der meisten Werke Schillers und Goethes, aber auch von damals selten gespielten Autoren wie Lope de Vega (1868-1946) und Cálderon de la Barca (1600-1681). Dabei legte Ludwig besonderen Wert auf die Aufführung des jeweiligen Gesamttexts ohne Kürzungen, den Einsatz von Schauspielmusik und eine üppige Bühnenausstattung. Zu seiner Zeit gehörte die Münchener Bühne damit zu den führenden Deutschlands und konnte sich durchaus mit der (besser erforschten) Meininger Hofbühne messen.
Besondere Berühmtheit erlangten die sogenannten "Königs-" oder "Separatvorstellungen". Von 1872 bis 1885 ließ Ludwig auf eigene Kosten über 200 Vorstellungen (Schauspiele, Opern und Ballette) nur für sich selbst inszenieren und aufführen. Zu den Werken gehörten die Opern Richard Wagners und Christoph Wilibald Glucks (1714-1787) ebenso wie Stücke zur französischen, englischen und mittelalterlichen Geschichte. Viele der aufgeführten Werke wurden nicht oder nur beschränkt öffentlich aufgeführt. Eine Reihe von Theaterstücken wurden auch - nach Vorgaben und unter intensiver Kritik des Königs - von ausgewählten Autoren extra für die Separataufführungen geschrieben, übersetzt oder überarbeitet.
Nach dem Tod Ludwigs fühlten sich verschiedene Schauspieler und Autoren verpflichtet, eigene Schilderungen zu den Separatvorstellungen und den anderen Theater- und Opernaktivitäten Ludwigs II. zu veröffentlichen. Unter diesen Schilderungen stechen - neben dem bemerkenswerten Buch Karl August von Heigels (1835-1905) - vor allem die Arbeiten Karl von Perfalls und Ernst von Possarts hervor. Perfall (1824-1907) war von 1867 bis 1892 Intendant der bayerischen Hoftheater und als solcher für die Umsetzung der Programm- und Ausstattungswünsche seines Königs verantwortlich. Sein nüchterner Bericht - eher eine Sammlung von Tabellen und Quellen - erschien 1894, sicher auch zur Rechtfertigung seiner zwei Jahre zuvor durch eine Intrige Possarts beendeten Dienstzeit.
Ernst von Possart (1841-1921) hatte sich bereits als Charakterdarsteller und Gelegenheitsdichter einen Namen gemacht, als er 1873 Oberregisseur (1878 Schauspieldirektor) an der Münchener Hofbühne wurde. Sein stark gefühlsbetontes, aus heutiger Sicht wohl auch überzogenes Spiel entsprach dem Geschmack Ludwigs, so dass er bei nahezu allen Königsvorstellungen von Schauspielen zentrale Rollen übernahm. Seine wichtigste Rolle dürfte die des Narziß im gleichnamigen Stück von Emil Brachvogel (1824-1878) gewesen sein, das sich der König jedes Jahr am Vorabend des Todes Ludwig XV. von Frankreich aufführen ließ. 1893 bis 1905 war er - als Nachfolger von Perfall - Intendant der bayerischen Hoftheater. Als solcher war er entscheidend an der Errichtung des Münchener Prinzregententheaters beteiligt. Seine 1916 erschienenen Memoiren erfreuten sich seinerzeit großer Beliebtheit, was nicht zuletzt an ihrem pointierten Stil liegen dürfte.
Richard Wagner
Zu den ersten Amtshandlungen des jungen Königs gehörte es, den von ihm verehrten Komponisten Richard Wagner (1813-1883) aufspüren und nach München bringen zu lassen. Für Wagner, der zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht vor Gläubigern war, wurde die Begegnung mit Ludwig II. zu einem Wendepunkt seines Lebens: Von nun an war er finanziell abgesichert
Die tiefe Beziehung zwischen dem Monarchen und den Komponisten, als deren Höhepunkt die triumphale Uraufführung von "Tristan und Isolde" am 10. Juni 1865 gelten kann, führte allerdings bald zu Spannungen zwischen Ludwig und seinem Kabinett sowie der (vor allem Münchener) Gesellschaft. Am 10. Dezember 1865 schließlich musste Wagner München und Bayern vorerst verlassen. Die Förderung Wagners durch Ludwig hielt aber bis zum Tod des Komponisten an - ohne sie sind die Vollendung des "Ring des Nibelungen" oder die Bayreuther Festspiele nicht vorstellbar.
Zwischen 1936 und 1939 edierte der Bayreuther Stadtbibliothekar Otto Strobel (1895-1953) - seit 1932 Verwalter des Wagnerschen Familienarchivs - den Briefwechsel zwischen Ludwig II. und Richard Wagner. Die hier zusammengetragenen Schriftstücke verdeutlichen exemplarisch die einzigartige Beziehung zwischen den beiden höchst eigenwilligen Charakteren.
Königstragödie 1886
Seit dem Königsmanöver im August 1875 war König Ludwig II. nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten, sondern hatte sich ganz auf seine Schlösser zurückgezogen. Seine repräsentativen Pflichten als König übernahmen - da sein Bruder Otto (1848-1916) "geistig umnachtet" war - seitdem vollständig verschiedene Wittelsbacher Prinzen, vor allem Prinz Luitpold (1821-1912) und seine Söhne, zu denen der König allerdings ein zwiespältiges Verhältnis hatte.
Die positive Präsenz des Königs in der Öffentlichkeit beschränkte sich seitdem auf seine weit verbreiteten Portraits, aber auch verschiedene den König verherrlichende Schriften und Lieder, darunter das hier präsentierte "Ludwig II. und das Bayerland" auf einen Text des Mundartdichters Peter Auzinger (1836-1914). Sie alleine konnten aber nicht verhindern, dass Ludwig mehr noch als jemals zuvor zu einer unsichtbaren, aber desto eifriger diskutierten Person wurde.
Als sich schließlich 1885/1886 vor dem Hintergrund der persönlichen Schulden des Königs eine Staatskrise anbahnte, in der Ludwig die Entlassung seiner Regierung erwog, kam es zu einer Übereinkunft zwischen den Ministern um Johann von Lutz einerseits und den Wittelsbacher Agnaten um Prinz Luitpold andererseits. Ein bis heute umstrittenes Gutachten des angesehenen Professors Bernhard von Gudden (1824-1886) lieferte den Vorwand für die (nach der bayerischen Verfassung so nicht erlaubte) Entmündigung des Königs. Im zweiten Anlauf wurde er am 11. Juni 1886 auf Schloss Neuschwanstein festgesetzt. Verschiedene Versuche, seine Entmachtung zu verhindern (u. a. Vorschläge zur Flucht nach Österreich, Hilfegesuche an Bismarck, Gegenproklamation) scheiterten an Ludwigs Passivität. Der König wurde nach Schloss Berg gebracht, wo er - analog zu seinem Bruder in Schloss Fürstenried - interniert werden sollte. Am Abend des Pfingstsonntags, des 13. Juni 1886, starben König Ludwig II. und Bernhard von Gudden unter ungeklärten Umständen im Würmsee (heute Starnberger See).
Die Öffentlichkeit wurde von den Ereignissen im Juni 1886 trotz der offen diskutierten Schuldenkrise überrascht. Stellvertretend hierfür steht eine Sammlung der entscheidenden Nummern der Augsburger Abendzeitung, die der Rechnungsrat Josef Zimmermann sammelte und 1920 der Bayerischen Staatsbibliothek übergab.
In den Jahren nach der Königstragödie veröffentlichten mehrere der Beteiligten ihre persönliche Darstellung der Ereignisse. Unter diesen sticht besonders das Buch von Franz Carl Müller (1860-1913), einem der Assistenzärzte Guddens, hervor, da sich der Autor, anders als etwa die Darstellungen Hubert von Grasheys (1839–1914), um Objektivität bemüht und dabei auch nicht vor (implizierter) Kritik an von Gudden zurückschreckt. Die nüchterne Darstellung Müllers dürfte die genaueste Darstellung der letzten Tage Ludwig II. aus der Feder eines Augenzeugen sein.
Mythos
Bereits direkt nach dem tragischen Tod Ludwigs II. erschien eine Flut von Schriften, Artikeln und Büchern, die aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus die Geschehnisse bei Schloss Berg beschrieben und deuteten. Das undurchsichtige Verhalten der Regierung Lutz und die plötzliche Übernahme der Reichsverweserschaft durch Prinz Luitpold (1821-1912) stießen bei der Bevölkerung mehrheitlich auf Ablehnung und ließen selbst in bürgerlich-fortschrittlichen Kreisen die bisherige Kritik an Ludwig II. verstummen. Die Tragödie wurde so zu einem Ausgangspunkt, um die Kritik an Regierung und Herrscherhaus über das Gedächtnis Ludwigs II. schichtübergreifend zu reflektieren.
Die bayerischen Behörden bemühten sich, Pamphlete oder Artikel, welche die Regierung oder das Königshaus um Prinzregent Luitpold zu offen kritisierten, aus dem Verkehr zu ziehen. Selbst ein außerhalb Bayerns schreibender Autor wie Karl May (1842-1912) sah sich dadurch gezwungen, das Ende seines Kolportageromans "Der Weg zum Glück" (1886-1888), in dem er eine Ermordung König Ludwigs andeutete, umzuschreiben.
Die Jahre nach 1886 sahen eine Zunahme der Schriften über Ludwig. Mehr und mehr wurde dabei die Regierungszeit Ludwigs II. (und der Monarch selbst) idealisiert, oft genug als indirekte Kritik an zeitgenössischen Zuständen, sicher aber auch als verkaufsfördernde Maßnahme diverser Verleger.
Die folgende kleine Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, möchte aber kleine Schlaglichter auf diese Entwicklung werfen. Das von Ferdinand Heigl (1839-1903) veröffentlichte Pamphlet behandelt einen Prozess, der von der Regierung gegen einen Mandanten Heigls wegen kritischer Äußerungen geführt wurde. Das anonym erschienene "Trauerspiel" entwirft reißerisch ein Bild der Festnahme des edel überzeichneten Königs, dessen Ermordung impliziert wird. In Friedrich Rudolph Kreuzers "Bayernland" schließlich wird die Idealisierung von Leben und Zeit König Ludwig II. - nur elf Jahre nach dessen Tod - bereits auf eine romantisch-reißerische Spitze getrieben.