Ludwig II. und die Bayerische Staatsbibliothek

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König Ludwig II. (1845-1886) hat auch in der Bayerischen Staatsbibliothek zahlreiche Spuren hinterlassen. Es handelt sich hierbei um eine Fülle von unterschiedlichen und bemerkenswerten Quellen und Materialien aus, die vom 10. bis ins 19. Jahrhundert reichen.

Königliche Geschenke

König Ludwig II. übereignete der Bibliothek zahlreiche Geschenke. Sie umfassen Quellen aus seinem privaten Besitz, wie drei Autographen von William Penn (1644-1708), dem Gründer der Kolonie Pennsylvania, von Benjamin Franklin (1706-1790), einem der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, und schließlich von George Washington (1732-1799), ihrem ersten Präsidenten. Auch eine im Verlag des Hoffotografen Joseph Albert (1825-1886) erschienene Prachtausgabe der Wandbilder des Bayerischen Nationalmuseums (heute: Völkerkundemuseum) von Karl von Spruner (1803-1892) verdient hier hervorgehoben zu werden. Unter den zahlreichen Musikalien ragen die seltenen Synagogengesänge von Max Löwenstamm (1814-1881) hervor.

Aus der Bibliothek König Ottos von Griechenland (1815-1867), einem Sohn König Ludwigs I. (1786-1868), der 1832 auf den griechischen Thron berufen worden war und in Athen eine bedeutende Büchersammlung anlegte, vermachte Ludwig II. bedeutende Handschriften, Drucke und Musikalien der Hof- und Staatsbibliothek – wie sie zu dieser Zeit offiziell hieß. Besondere Beachtung verdient das älteste Objekt, ein griechisches Tetraevangeliar aus dem 10. Jahrhundert mit einer bemerkenswerten Ausstattung. Handschriften zur griechischen Unabhängigkeitsbewegung (darunter das königliche Exemplar der griechischen Verfassung von 1844 ), seltene Musikalien, z.B. von Laurenz Weiss (1810-1888) oder Spyridon Xyndas (1812-1896) runden das Gesamtbild ab.

Schließlich vermachte König Ludwig II. auch wenige Bücher aus der Sammlung von Eugène Beauharnais (1781-1824) der Bibliothek. Der Stiefsohn Napoleons (1769-1821) hatte 1806 die bayerische Prinzessin Auguste Amalie (1788-1851) geheiratet und war somit ein Schwiegersohn König Max I. Joseph (1756-1825). Er galt als einer der bedeutendsten Büchersammler seiner Zeit. Da seine herausragende Bibliothek um 1930 versteigert und damit in alle Winde zerstreut wurde, kommt diesen wenigen Bänden besondere Bedeutung zu.

Quellen zu König Ludwig II.

In der Bayerischen Staatsbibliothek werden verschiedene Quellen zu König Ludwig II. und seinem Umfeld verwahrt. Hier ragen zunächst die zahlreichen, zumeist vom König eigenhändig verfassten Briefe hervor. Sie sind an mehr als 30 verschiedenen Korrespondenzpartner gerichtet, darunter an seinen Bruder Otto, an seine Verlobte Herzogin Sophie in Bayern, an Künstler und Vertraute aus seinem engsten persönlichen Umfeld.

Wichtige Personen im Umkreis des Königs waren die Hof- und die Kabinettssekretäre. Von zweien, nämlich von Ludwig von Bürkel (1841-1903) und von Franz Seraph von Pfistermeister (1820-1912) verwahrt die Bayerische Staatsbibliothek deren persönlichen Dokumente. Eine Kette mit Orden, die dem Hofsekretär Bürkel verliehen wurden, erhielt die Bibliothek von den Erben als Geschenk.

Des Königs Interesse an der Musik und am Theater hat in der Bayerischen Staatsbibliothek wichtige Spuren hinterlassen. Die Musikabteilung verwahrt das Aufführungsmaterial zu den Separatvorstellungen des Königs. Die zahlreichen Porträts des Königs und von Personen seines engsten Umkreises stammen aus der Porträtsammlung der Bibliothek, die die Abteilung für Karten und Bilder verwahrt.

Spruner: Wandbilder zur gesamtbayerischen Geschichte

In der Kulturpolitik König Maximilians II., die auf die innere Festigung einer bayerischen "Nation" abzielte, nahmen Gründung und Förderung des Bayerischen Nationalmuseums einen zentralen Platz ein. Im repräsentativ ausgestatteten ersten Stock des 1867 eröffneten Neubaus des Architekten Eduard von Riedel (1813-1885) fanden sich keine historischen Exponate, sondern ein 143 Wandbilder umfassender Zyklus zur vaterländischen Geschichte. Der König selbst hatte die behandelten Themen bestimmt.

Sicher noch im Auftrag des 1864 verstorbenen Maximilian erschien 1867 eine ausführliche Beschreibung des Zyklus. Der Autor der bewusst einfach gehaltenen Schilderung war Karl Spruner von Merz (1803-1892). Neben einer schleppend verlaufenden militärischen Karriere hatte dieser sich mit historischen Kartenwerken und anderen Schriften einen Namen gemacht. Von 1855 an Flügeladjutant König Maximilians II. wurde er zu einem seiner wichtigsten historischen Berater. Als solcher war er eng in Themenwahl und Ausführung der Fresken einbezogen. Es ist möglich, dass die Beschreibungen auf Anweisungen fußen, die Spruner für die ausführenden Künstler verfasst haben dürfte.

Das Werk erschien in mehreren, in der Regel bilderlosen Ausgaben. Eine Ausnahme ist diese 1868 im Verlag des Hoffotografen Joseph Albert (1825-1886) in vier querformatigen (26,5 x 35 cm) Bänden erschienene Prachtausgabe, die dem Text Reproduktionen der Wandbilder zuordnet.

Bereits im Erscheinungsjahr schenkte Ludwig II. ein Exemplar dieser Ausgabe der Staatsbibliothek. Der handschriftliche Schenkungsvermerk (Band 1, Vorsatz) vom 14.03.1868 trägt die eigenhändige Unterschrift des Königs.

Karl von Spruner
Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums. Band 1: Altbayern I
München, 1868

Karl von Spruner
Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums. Band 2: Altbayern II
München, 1868

Karl von Spruner
Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums. Band 3: Pfalz
München, 1868

Karl von Spruner
Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums. Band 4: Franken, Schwaben, das Vereinigte Königreich
München, 1868

Trachten aus Unterfranken

Zu den Maßnahmen König Maximilians II. zur "Hebung des Bayerischen Nationalgefühls" gehörte auch eine Trachteninitiative. Nach einigen Gutachten (1852) erließ er am 4. März 1853 ein ganzes Maßnahmenpaket zur Erhaltung und Förderung ländlicher Trachten. Dazu gehörte auch die Forderung zur Anfertigung von Trachtengrafik, die als Vorbild dienen sollte.

Als Reaktion auf diese Idee ist wohl auch dieses Werk entstanden, das anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Polytechnischen Vereins Würzburg von dessen Vorsitzenden, dem Unternehmer und Sammler Leofrid Adelmann (1819-1884), herausgegeben wurde. Die 18 handkolorierten Lithographien basieren auf Aquarellen Peter Geists (1816-1867), der zum Teil ältere Vorbilder heranzog. Die unkommentierte Sammlung bietet keinen Überblick zu den Trachten Unterfrankens, sondern beschränkt sich auf einzelne Trachten aus der Rhön, dem Ochsenfurter Gau (bis zum Taubergrund), dem Grabfeld sowie der Region rund um Schweinfurt.

Der Erfolg des Unternehmens überzeugte wohl nicht, denn nach einer zweiten Mappe mit mittelfränkischen Trachten, die 1858 erschienen war, wurde das Werk eingestellt, vielleicht auch, weil Adelmann ab diesem Jahr nicht mehr dem Verein vorstand.

Wie die Mappe in königlichen Besitz gelangte, ist unklar; das Exemplar, das die Regierung von Unterfranken 1856 Maximilian II. zusandte, blieb bei den Akten. Eventuell handelt es sich um jene Mappe, die im September 1858 dem König bei einem Besuch in Würzburg überreicht wurde. Das Schenkungs-Exlibris König Ludwigs II. ist undatiert. Die ursprünglich losen Lithographien wurden wohl erst nach der Übergabe an die Staatsbibliothek in einen einfachen braunen Pappeinband eingebunden.

Leofried Adelmann

Bayerische Trachten. Bd. 1: Unterfranken
Würzburg, 1856

Evangeliar aus dem 10. Jahrhundert (Tetraevangeliar)

Die Handschrift enthält die vier Evangelien, denen der Brief des Eusebios von Kaisareia an Karpianos sowie Kanontafeln vorangestellt sind. Diese stellen die von Eusebios im 4. Jahrhundert entwickelte Konkordanz dar und sind als Doppelarkaden gestaltet. Unter den Bögen befinden sich die Kanonangaben mit Verweis auf die berücksichtigten Evangelien; zwischen den Säulen sind die Nummern der Abschnitte aufgelistet. Die Architekturteile der Arkaden sind mit bunten Flechtbändern, Herzpalmetten und Wellenranken geschmückt. Auf den sich über dem Gesims erhebenden Bögen erkennt man zwei Vögel, die eine Vase flankieren.

Den Kanontafeln folgt ein Verzeichnis der Lesungen für die einzelnen Tage des Kirchenjahres, in dem der Anfang und das Ende des zu lesenden Bibeltextes und ein Verweis auf die Kanontafeln zu finden sind. Jeder Evangelientext beginnt mit einer mehrzeiligen Rankeninitiale in Gold und einem goldenen, rotgeränderten Ziertor. In diese sind verschiedene Elemente, wie Vögel, Vierpassblüten, Ranken und Herzpalmetten eingeschrieben. Vor jedem Evangelium ist ein goldgrundiges Bild des jeweiligen Evangelisten eingeklebt (Bl. 24v, 105v, 157v, 240v).

Die Handschrift wurde laut einer Notiz auf der Rückseite von Blatt 301 um 1080 von einem Leon mit einem kostbaren Einband neu gebunden, der nicht erhalten ist. Er wurde später durch einen einfachen byzantinischen Holzdeckeleinband ersetzt.

Tetraevangeliar
Byzantinisches Reich, Ende des 10. Jh.
Pergament, 305 Bl., 22,4 x 17 cm
Cod.graec. 594

Verfassung von Griechenland

Der 1832 als König von Griechenland eingesetzte Otto, Sohn König Ludwigs I. von Bayern, regierte absolutistisch. Dies führte zu erheblichem Widerstand in der Bevölkerung, so dass er 18. März 1844 eine Verfassung unterschreiben musste. Die für den König gefertigte Abschrift enthält die Unterschriften der Delegierten, unter ihnen auch die des Freiheitskämpfers und Politikers Rigas Palamidis (Rhēgas Palamēdēs, 1794–1872) als Vertreter von Tripoli.

Verfassung von Griechenland
Athen, 1844
Papier, I, 18, Ι´ Bl., 39,0 x 26,0 cm
Cod.graec. 595

Weiss: Liturgia

Unter der Regierung König Ottos I. von Griechenland konnten am Athener Regierungssitz musikalische Aktivitäten nur in geringem Umfang ausgeübt werden, da ein Musikleben nach westlichem Vorbild in Athen erst nach 1830 allmählich aufgebaut wurde. Gerade das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Musikkulturen (byzantinischer Kirchengesang, vokale und instrumentale Volksmusik versus Klavierlied und Orchesterwerke) und der Versuch, Brücken zwischen diesen Welten zu schlagen, hinterließen einzigartige Quellen in der königlichen Musiksammlung.

Eine Gruppe von Notendrucken mit griechisch-orthodoxer Kirchenmusik in der Musiksammlung Ottos I. enthält homophon harmonisierte, klavierbegleitete Vertonungen byzantinischer Melodien, die auf die zeitgenössischen Wiener Autoren Gottfried Preyer und Benedikt Randhartinger zurückgehen. Dieser umstrittene Musikstil konnte sich trotz direkter Widmungen an Otto I. in Athen nicht durchsetzen. Inhaltlich und formal unterscheidet sich die handschriftliche Partitur der "Liturgia" von Laurenz Weiss, die a capella vertonte griechische Messgesänge enthält, von diesem Quellenkreis. Eine direkte Widmung an Otto I. ist nicht enthalten.

Liturgia componirt von Laurenz Weiss, Director der Sängerkapelle an der griechischen n. u. Kirche zur heilg: Dreifaltigkeit in Wien, […]
Kopistenabschrift. 4stimmiger Chor, Partitur.
30 Bl. [19. Jh.]
Mus.ms. 3538
Hellgrüner Samteinband mit Silberprägung und Silberschnitt, Moiré-Vorsatz. 32,5 x 26,5 cm

Xyndas: Asmata Hellenika

Die Otto I. gewidmeten 12 "Asmata Hellenika" von Spyridon Xyndas gelten als das wertvollste Stück aus der Musikaliensammlung des Wittelsbachers. In der Musikgeschichte Griechenlands nimmt der Kitharavirtuose und Komponist Spyridon Xyndas (1812-1896) als erster Komponist einer Oper mit original griechischem Text eine Schlüsselstellung ein. Die Textdichter der "Griechischen Lieder" sind in der Quelle nicht genannt, zumindest zwei Texte stammen vom neugriechischen Dichter Dionysios Solomos.

Als Schüler Mantzaros’ und Zingarellis trug Xyndas "mit einigen romantischen und patriotischen Liedern zur Entstehung einer nationalen Musikästhetik im späten 19. Jh. bei“ ( Zotos ); seine Werke erlangten große Popularität.

Spyridon Xindas (Xyndas): Asmata Hellenika (Griechische Lieder, vertont von Musikmeister Spyridon Xindas und respektvoll gewidmet seiner Majestät König Otto von Griechenland)
Kopistenabschrift. 1-3 Singstimmen und Klavier, Partitur.
26 Bl. [1856-1862]
Mus.ms. 3539
Grün-brauner Halbledereinband mit golden eingeprägtem Wappen Ottos I. von Griechenland.
23,5 x 32 cm