„Der Notenschatz des Müllner Peter“ – Die Sachranger Musikaliensammlung
Peter Huber, der "Müllner-Peter von Sachrang"
Peter Huber (1766-1843) war Besitzer des Müllner-Hofes in Aschach, einem vor den Toren Sachrangs gelegenen Weiler, zu dem auch ein Mühlbetrieb gehörte. Nebenamtlich versah Huber, der eine höhere Schulbildung genossen haben muss, das Amt eines Chorregenten und Organisten in der Sachranger Kirche. In dieser Funktion gelang es ihm, ein Ensemble aufzubauen, mit denen er instrumental begleitete Kirchenmusik aufführen konnte.
Huber setzte sich mit großem Engagement für die Kirchenmusikpflege in seinem Dorf ein. Er finanzierte den Bau einer neuen Orgel, erteilte Musikunterricht und trug ein reiches Repertoire an zeitgenössischen Kirchenmusikwerken zusammen, die er zum größten Teil selber abschrieb.
Sammlung enthält Handschriften der ganzen Familie
In einigen Fällen finden sich in den erhaltenen Stimmensätzen der Sammlung auch die charakteristischen Handschriften von Hubers Ehefrau Maria Hell, sowie die seines Neffen und Erben Joseph Auer. Letzterer griff nach Hubers Tod dessen Engagement für die Dorfkirchenmusik auf und steuerte weitere Handschriften zur Sammlung bei. Auer fertigte zudem Ergänzungsstimmen zu älteren Werken an, die Einblicke in die gewandelte Aufführungspraxis der Kirchenmusik gegen Mitte des 19. Jahrhunderts bietet. So schuf er neue Stimmen für moderne Blechblasinstrumente wie Klappen- oder Flügelhörner und "Bombardon" (eine Frühform der Tuba), was eine Abkehr von dem von Streichern dominierten Klangideal der Klassik bedeutet.
Peter Hubers Bruder Thomas tritt schließlich nicht nur als Schreiber in der Sammlung auf, sondern auch als Komponist. Von Thomas Huber sind einige einfache geistliche Liedvertonungen überliefert, aber auch eine lateinische Litanei für Chor a capella. Neben diesen Familienmitgliedern finden sich noch weitere lokale Schreiber in den Handschriften der Sammlung, darunter der junge Sachranger Lehrer Wunibald Lesche (geb. 1813).
Inhalte der Sammlung
Die Sachranger Sammlung umfasst mehr als 300 Handschriften und einige gedruckte Werke, deren größter Teil 1938 in den Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek gelangte. Eine Ausnahme bilden kleinere Restbestände, die erst später in Sachrang auftauchten und die heute im Müllner-Peter-Museum aufbewahrt werden; diese Quellen wurden ebenfalls für die Online-Präsentation digitialisiert.
Lateinische und deutsche Kirchenkompositionen bilden den größten und bedeutendsten Teil der Sammlung, die aber daneben auch Instrumentalwerke enthält, vor allem Tänze und Divertimenti, sowie einige gesellige weltliche Vokalwerke. Unter den Komponisten der weltlichen Werke sind einige berühmte Namen vertreten, etwa Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) mit den Menuetten KV 585 (Mus.ms. 7516) und den Deutschen Tänzen KV 586 (Mus.ms. 7515) oder Michael Haydn (1737-1806) mit mehreren weltlichen Ensembleliedern in der Sammelhandschrift Mus.ms. 7585.
Die meisten Werke der Sammlung sind als Stimmensätze überliefert, nur wenige wurden auch in Partiturform notiert. Huber fertigte für die Stimmensätze eigene Titelumschläge an, die zum Teil fantasievoll und farbenfroh verziert sind. So finden sich hier an Bauernmalerei erinnernde Blumenmotive, aber auch abstrakte symmetrische Formen. Es wird vermutet, dass Maria Hell an der kunstvollen Gestaltung einiger dieser Umschlagtitel beteiligt war.
Georg Augustin Holler (1744-1814)
Einen prominenten Platz in der Sammlung nehmen die Werke Georg Augustin Hollers (1744-1814) ein, einem aus der Oberpfalz stammenden Komponisten, der in München als Stadtmusiker wirkte. Holler hatte als Chorknabe der bischöflichen Kapelle in Freising eine gründliche Ausbildung bei dem Hofkapellmeister Placidus von Camerloher (1718-1782) genossen. Mit ungefähr 100 überlieferten Kirchenkompositionen, zwei weltlichen Gelegenheitswerken, 24 Divertimenti und zwei Sammlungen mit Deutschen Tänzen ist Holler der bei weitem am stärksten vertretene Komponist in Hubers Sammlung.
Die meisten der Werke Hollers stellen Unikate dar, darunter befinden sich als wichtigste Gattung 17 lateinische Missae solemnes. Daneben gibt es Missae breves, Litaneien, Vespern, deutsche Lied-Messen, Offertorien, Kirchenlieder sowie einen Zyklus aus sieben Passionskantaten.
Huber scheint Holler persönlich gekannt zu haben, da seine Sammlung eine derartig große Zahl unbekannter Werke des Komponisten enthält. Darunter findet sich sogar ein Autograph, eine Partitur mit acht Adventsliedern ("Arietten") Hollers für drei bis vier Singstimmen und Orgel von 1806 (Mus.ms. 7347). Die beiden Komponisten, die nebst Holler am häufigsten in der Sammlung vertreten sind, stammen beide aus Tirol: Wilhelm Lechleitner, Augustiner-Chorherr aus Neustift bei Brixen (1779-1827), und Joseph Alois Holzmann (1762-1815), Organist aus Hall. Sachrang liegt in der unmittelbaren Grenzregion zwischen Bayern und Tirol, was den engen kulturellen Austausch erklärt.
Geistliche Lieder in der Sachranger Sammlung
Eine regionale Besonderheit der Sachranger Sammlung stellen die im Grenzbereich zwischen Kirchenmusik mit "hohem" Kunstanspruch und alpenländischer Volksmusik angesiedelten geistlichen Lieder dar, darunter vor allem Weihnachtslieder mit pastoraler Thematik. Neben Lechleitner (drei "Motetti pastorali", Mus.ms. 7496 / Mus.ms. 7508) betätigte sich auf diesem Gebiet auch der Müllner-Peter selbst, etwa mit den drei Weihnachtsliedern für drei Singstimmen, zwei Klarinetten, zwei Hörner, zwei Violinen und Bass (Mus.ms. 7478). Auch einige Marienlieder, typische Beispiele für die damalige Volksfrömmigkeit, wurden von Peter Huber komponiert. Darunter befindet sich das noch heute in Sachrang gesungene "Gekrönte Himmelskönigin" (Mus.ms. 7473).
Autor: Steffen Voss
>> Diese Sammlung ist ein Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek und des Müllner Peter Museums.
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