Der Weg zum Staatsgerichtshof

Die rechtliche Unverantwortlichkeit des Königs ist durch § 1 in Titel II der Verfassung von 1818 verankert: „Seine Person ist heilig und unverletzlich“. Wesentlicher Bestandteil einer konstitutionellen Staatsform ist die verfassungsmäßige Begrenzung der herrscherlichen Rechte. Hinzu treten verfassungsmäßige Rechte der Untertanen und deren Garantie. Der Unverantwortlichkeit des Monarchen stand daher in der bayerischen Verfassungsordnung des 19. Jahrhunderts die Verantwortung seiner Minister gegenüber. Durch seine Gegenzeichnung übernahm der Minister rechtlich und sachlich Verantwortung.

Rechtsgrundlage für eine Verfassungsbeschwerde durch die Stände war § 5 in Titel X der Verfassung „Von der Gewähr der Verfassung“. Demnach hatten die beiden Kammern der Ständeversammlung das Recht, Verfassungsverletzungen von Ministern oder Behörden, ja „sämmtlicher Staatsdiener“ vor den König zu bringen. Die Entscheidung stand anschließend dem König selbst zu oder wurde von ihm an den Staatsrat oder die Oberste Justizstelle (Oberappellationsgericht) delegiert. Ein eigenes Verfassungsgericht bzw. einen Staatsgerichtshof gab es zunächst nicht.

Daneben hatten nach § 21 in Titel VII der Verfassung von 1818 auch Staatsbürger und Gemeinden die Möglichkeit, Beschwerden über Verletzungen ihrer „constitutionellen Rechte“ an die Kammern der Ständeversammlung zu richten. Die Beschwerden gelangten zunächst vor den Beschwerdeausschuss der jeweiligen Kammer und nahmen – nach positiver Prüfung – den gleichen Instanzenzug wie eine Beschwerde über Staatsbeamte oder Minister. Insgesamt wurden zwischen 1827 und 1859 nur elf Beschwerden nach Beschluss der beiden Kammern dem König zur Entscheidung vorgelegt. Davon wurde lediglich eine Beschwerde, die des Redakteurs Ernst Zander, teilweise vom Staatsrat positiv beschieden.

Für eine Anklage gegen einen Minister oder Staatsbeamten musste eine vorsätzliche „Verletzung der Staatsverfassung“ vorliegen, der Verfahrensweg war kompliziert und die Begrifflichkeiten waren nicht klar definiert. Diese sehr wesentlichen Mängel wurden von Anfang an intensiv diskutiert. Erstmals 1831 wurde vor dem Staatsrat ein Gesetzesentwurf „die Verantwortlichkeit der Minister, übrigen Staatsdiener und Behörden betreffend“ verhandelt. Der Entwurf sah auch die Einführung einer entsprechenden gerichtlichen Instanz – eines Staatsgerichtshofes – vor. Eine Umsetzung erfolgte jedoch erst mit der Reformgesetzgebung 1848: Am 4. Juni 1848 wurde ein Verfassungsgesetz über die Verantwortlichkeit der Minister erlassen. Einen vorläufigen Abschluss erfuhr der Reformprozess mit dem Gesetz zur Einrichtung eines Staatsgerichtshofs und zur Regelung des Klageverfahrens am 30. März 1850.