Joseph Karl Stieler: König Ludwig I. von Bayern im Krönungsornat
Die Verfassung von 1818 rückte den König in den Mittelpunkt des Staates. Seine wichtigsten Rechte waren die Ausübung der Regierungs-, Justiz- und Finanzgewalt, der Kirchenhoheit und des militärischen Oberbefehls; zudem hatte er das Initiativrecht bei der Gesetzgebung und war zuständig für die Verkündigung der Gesetze. Der König als Träger der Staatsgewalt erhielt diese nur kraft der Übertragung durch den Staat. Er wurde somit selbst zum Verfassungsorgan mit definierten Rechten. Dennoch rückte die Verfassung von 1818 den König unbestritten in den Mittelpunkt des Staatswesens – man spricht vom sogenannten „monarchischen Prinzip“. Insbesondere König Ludwig I. (1786–1868, König 1825–1848) legte größten Wert auf seine monarchische Autorität.
Das Gemälde von Joseph Karl Stieler (1781–1858) zeigt König Ludwig I. von Bayern vor seinem Thron stehend im Krönungsornat, gegürtet mit dem Reichsschwert, in der Rechten das Zepter und daneben die Krone des Königreichs Bayern. Sein rechter Arm ist dabei auf die Prunkausfertigung der Verfassung von 1818 gestützt, auf der auch die Krone selbst ruht. Dieses Herrscherporträt vereinigt somit sämtliche Attribute des Staatszeremoniells im Königreich Bayern und symbolisiert gleichzeitig die Verfassungstreue des Königs, der bereits als Kronprinz maßgeblich am Zustandekommen der Verfassung von 1818 beteiligt gewesen war („Accessionsurkunde“ in der Verfassung).
Durch die bildhafte Anordnung erhält die bayerische Verfassung den gleichen Rang wie die Krone, gleichzeitig wird das Bekenntnis des Monarchen zur Verfassung öffentlichkeitswirksam vor Augen geführt. Ähnliche Herrscherporträts existieren von allen regierenden bayerischen Königen. Sie stellen somit einen bestimmten Gemäldetypus, nämlich offizielle Staatsporträts, dar, in denen der König als Vertreter der Staatsform der konstitutionellen Monarchie erscheint.