Die Frage der Ministeranklage: Entlassungsdekret für den bayerischen Innenminister Eduard von Schenk

Die Verfassung von 1818 enthielt in Titel X § 4 und 6 die Möglichkeit, Staatsminister und Beamte wegen einer Verletzung der Staatsverfassung zur Verantwortung zu ziehen. Eine Anklage war allerdings nur bei vorsätzlichen Verstößen und bei Einigkeit der beiden Kammern der Ständeversammlung über das Vorgehen möglich. Als Entscheidungsinstanz war die Oberste Justizstelle vorgesehen. Eine wirkliche Ministerverantwortlichkeit ist hierin noch nicht zu erkennen. Die Neuregulierung des äußerst komplizierten Verfahrens wurde daher zentrale Forderung in der Zeit des Vormärz.

Im Fall des Innenministers Eduard von Schenk (1788–1841) wurde tatsächlich erwogen, Anklage zu erheben. Der in Düsseldorf geborene Jurist war unter Ludwig I. (1786–1868, König von 1825–1848) schnell in der Verwaltung aufgestiegen und wurde 1828 Innenminister. Er galt als enger Vertrauter des Königs.

1831 kam es zum Konflikt mit der Ständeversammlung, der sich unter anderem an der Pressezensur entzündete. Am 16. Mai stufte das Parlament mit großer Mehrheit die neue Zensurverordnung als verfassungswidrig ein. Zudem überlegte man, Anklage gegen Schenk wegen Verfassungsverstoßes zu erheben. Dies scheiterte jedoch am Abstimmungsergebnis in der Kammer der Abgeordneten (50 gegen 73 Stimmen).

Dennoch bat Schenk am 22. Mai wegen des massiven Misstrauens selbst beim König um Rücktritt. In der Abschrift des Entlassungsdekrets vom 27. Mai 1831 gewährt ihm Ludwig I. den Abschied. Nach der Entlassung sollte er als Generalkommissär und Regierungspräsident des Regenkreises tätig sein.

Erst das durch den Reformlandtag 1848 verabschiedete Gesetz zur Neuregelung der Ministerverantwortlichkeit vereinfachte die Klageerhebung. Nun konnte bei Verfassungsverstößen der Minister oder ihrer Stellvertreter ein geregeltes Verfahren eingeleitet werden. Seit 1850 war der Staatsgerichtshof die zuständige Instanz. In der Praxis wurde bis zum Ende der Monarchie keine einzige Anklage erhoben.

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