Festzug zur Ausrufung der Räterepublik in Starnberg, 7. April 1919

Die Revolutionszeit war in Starnberg lange wenig auffällig. Zwar wurde im November 1918 auch in Starnberg, das ca. 4.000 Einwohner zählte, ein Arbeiter-, Bürger- und Bauernrat gewählt; dieser entfaltete allerdings keine nennenswerten Aktivitäten. Revolutionäres Potenzial wies die Stadt, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein beliebter Badeort mit zahlreichen Villen war, nicht auf. Vorrangig der geografischen Nähe zu München war es geschuldet, dass in Starnberg für eine gewisse Zeit eine Räterepublik bestand. Diese wurde am 6. April durch den neu in Starnberg gebildeten Revolutionären Arbeiterrat verkündet. Am Folgetag wurde dies mit einem Festzug durch die Stadt gefeiert, wobei sich das Interesse der Bevölkerung sichtbar in Grenzen hielt: Der Zug, dem eine rote Revolutionsfahne vorangetragen wurde, mag etwas mehr als hundert Teilnehmer gezählt haben und war gesäumt von einigen wenigen Menschen und neugierigen Kindern.

Der Revolutionäre Arbeiterrat in Starnberg bekannte sich zu den Ideen der Ersten Räterepublik. Deren Ablösung durch eine Räterepublik nach sowjetischem Muster infolge des "Palmsonntagsputsches" am 13. April wurde jedoch abgelehnt. So kam der Starnberger Arbeiterrat in die Situation, dass er einerseits das Rätesystem propagierte, sich aber andererseits mit den Vertretern der Münchener kommunistischen Räterepublik konfrontiert und bedroht sah. Für diese war der Raum Starnberg für die Verteidigung Münchens von strategischer Bedeutung. Die Stadt geriet damit zwischen die Frontlinien, indem einerseits Soldaten der Roten Armee wichtige Punkte in Starnberg und Umgebung besetzten, andererseits württembergische Truppen am 28. April von Süden her vorrückten. Dem Starnberger Arbeiterrat gelang es, einen halbwegs neutralen Standpunkt einzunehmen. Von direkten Kampfhandlungen blieb die Stadt, die am 30. April von den Regierungstruppen eingenommen wurde, zwar verschont. Allerdings kam es in der Umgebung zu Kämpfen, bei denen mehrere Dutzend Rotarmisten im Gefecht sowie bei standrechtlichen Erschießungen ihr Leben ließen.

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