Protokolle der bayerischen Sozialisierungskommission, 1919

Nach der Revolution von 1918 begannen Versuche, die Sozialisierung als eines der Hauptziele der Sozialdemokratie durchzusetzen. In Bayern hielt Ministerpräsident Kurt Eisner (1867-1919) eine rasche Sozialisierung angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage für undurchführbar. Eisner strebte eine schrittweise Umorientierung an, bei der die Produktion unter staatlicher Aufsicht - ohne jedoch die private Initiative auszuschalten - in den Dienst der Allgemeinheit gestellt werden sollte. Deswegen wurde im Dezember 1918 eine Sozialisierungskommission ins Leben gerufen, die nur beratende Funktion haben sollte.

Sie trat erstmals am 22. Januar 1919 im Staatsministerium der Finanzen in München zusammen. Auf dieser Sitzung wählten die Anwesenden - Vertreter von Staat, Wirtschaft, Arbeitnehmern und Räten - eine Hauptkommission (später stets Hauptausschuss genannt), die Unterkommissionen für verschiedene Sachbereiche bilden sollte. Die Kommission beschäftigte sich vorwiegend mit Fragen der Elektrizitätsversorgung sowie mit dem Bank- und Wohnwesen. Vorsitzender des Hauptausschusses wurde der Nationalökonom Lujo Brentano (1844-1931), sein Stellvertreter der parteilose Finanzminister im Kabinett Eisner, Edgar Jaffé (1866-1921).

Durch Berufung zusätzlicher Mitglieder erweiterte sich der Hauptausschuss zunächst zur "Unterkommission für Wasserkraftausnützung und Elektrizitätsversorgung", die ihre Arbeit am 31. Januar 1919 aufnahm und am 26. März 1919 beendete. Beteiligt waren zahlreiche Sachverständige, wie Oskar von Miller (1855-1934).

Am 22. Februar 1919 beschloss der Hauptausschuss, die Untersuchung der städtischen Wohnverhältnisse zu beginnen. Angesichts der Wirren nach der Ermordung Kurt Eisners (21. Februar 1919) trat dieses Gremium erst wieder am 8. März 1919 zusammen und entschied nun, sich zunächst dem Hypothekenbankwesen zuzuwenden.

Die Unterkommission für das Hypothekenbankwesen tagte erstmals am 10. März 1919 und benannte sich am 29. März 1919 in "Unterkommission für das Hypothekenbank- und Wohnungswesen" um. Am 5. April 1919 vertagte sie sich auf den 7. April 1919. Die Ausrufung der Räterepublik in Bayern in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1919 verhinderte jedoch einen weiteren Zusammentritt und beendete auch die Arbeit der bayerischen Sozialisierungskommission.

Zu allen 23 Sitzungen vom 22. Januar bis 5. April 1919 existieren Niederschriften, im Regelfall gedruckte Gesprächsprotokolle.

Florian Sepp

>> Diese Sammlung ist aus den Beständen der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern.