Der Münchener Dichterverein „Die Krokodile“ (1857-1883)
Der Name des Münchener Dichtervereins "Das Krokodil" bzw. "Die Krokodile" leitet sich ab von dem Scherzgedicht "Das Krokodil zu Singapur" von Hermann Lingg (1820-1905). Das Symbol des Vereins stellte entsprechend ein Krokodil aus Gips auf einem Sockel vor, auf dem die Vereinsnamen in "hieroglyphischen Zügen" eingraviert waren. Diese "aus Pappendeckel gefertigte Pyramide" enthielt das Protokollbuch, die Mitglieder selbst erhielten an das Krokodil angelehnte Tiernamen. Die Gesellschaft wurde im Winter 1857 gegründet und bestand bis 1883. Von literarischer Bedeutung war sie jedoch nur im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens.
Die "Krokodile" hatten ihren Sitz in München. Sie trafen sich einmal wöchentlich am Donnerstag bzw. Freitag Abend an sogenannten "Heiligen Teichen", in Kaffee-, Wein- und Privathäusern.
Bereits vor ihrer Gründung gab es literarische Vereine, etwa die "Zwanglose Gesellschaft" in München (1837) oder den Berliner "Tunnel über der Spree" (1827), der das Vorbild der "Krokodile" abgeben sollte.
Man traf sich zu Lesungen aus unveröffentlichten Werken der Mitglieder - hauptsächlich Lyrik und Versepik - und ließ dabei Kritik, Gedankenaustausch und Geselligkeit nicht zu kurz kommen. Um sich als "compacte geistige Macht zu bewähren" (Korrespondenzbericht 1856), unterwarfen sich die Mitglieder der Kontrolle ihrer neben Paul Heyse (1830-1914) wichtigsten Autoritätsperson, dem Gegenwartslyriker und "Dichterpapst" Emanuel Geibel (1815-1884). Einseitige Sanktionen, Intrigen und Patronagen blieben dennoch nicht aus. Der Journalist und "Krokodil"-Mitgründer Julius Grosse (1828-1902) urteilte: "Das Krokodil war nicht eine Gesellschaft von Freunden, sondern von Konkurrenten, die sich gegenseitig nicht recht trauten, sondern mehr oder heimlich befehdeten" (Julius Waldemar Grosse, Ursachen und Wirkungen, 1896).
Vorausging die Berufung auswärtiger Gelehrter und Schriftsteller durch König Max II. von Bayern (1811-1864). München sollte zum geistigen Zentrum deutscher Kunst und Wissenschaft ausgebaut werden. Eine Art überständischer Geselligkeit entstand, zumal der König und seine Adjutanten in den Austausch mit einbezogen werden wollten. Die Neuberufenen sollten aber auch unter sich, unter der gehobenen Münchener Bürgerschicht, aktiv hineinwirken, weshalb der König eine Verständigung von fremden und einheimischen Gelehrten und Künstlern anempfahl. Dem Auftrag folgte Heyse mit dem Plan eines Samstagsvereins zum Gedankenaustausch im November 1854. Daraus generierten sich - nach einem Versuch am 5. November 1856 im Kaffeehaus "Zur Stadt München" - die "Krokodile".
Die virtuelle Ausstellung präsentiert ein Porträt dieser Dichtergesellschaft. Anhand ausgewählter Objekte werden Werke und Briefe bekannter und weniger bekannter Autoren, ihr klassizistisch-idealistischer Kunstanspruch sowie die Geschichte und Wirkung des Vereins dargestellt. Der Fokus liegt dabei auf den Mitgliedern, den Quellen zu den "Krokodilen" sowie den Texten über einzelne ihrer Dichter.