Kemptener Klosterchroniken
Die Johannes Birk (ca. 1449-1500) aus Biberach zugeschriebenen verschiedenen deutschsprachigen Texte der sog. "Kemptener Klosterchroniken" sind wichtige Zeugnisse des Selbstverständnisses des Fürststifts Kempten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Von den sechs bekannten spätmittelalterlichen Handschriften verwahrt die Bayerischen Staatsbibliothek München drei, darunter mit der 2010 von der Ernst von Siemens Kunststiftung erworbenen Handschrift Cgm 9470 den einzigen illuminierten Text.
Der Codex Cgm 9470 befand sich vermutlich bis 1802 im Besitz der Abtei Kempten, danach in Privatbesitz, seit dem 26. August 2010 ist er in der Bayerischen Staatsbibliothek.
Johannes Birk und die "Kemptener Klosterchroniken"
Der im Codex Cgm 9470 enthaltene Haupttext trägt den Titel "Stifftung des Gotzhaus Kempten und Sant Hiltgarten Leben" und behandelt als zentrales Thema die Gründungsgeschichte des Klosters Kempten und die Lebensgeschichte der als Stifterin verehrten Königin Hildegard (757- 783) und ihres Gemahls Kaiser Karls des Großen (747-814). Geschrieben wurde die 'Chronik' im Jahre 1499 von Petrus Brack aus Minderdorf.
Der Codex gehört zu einer Reihe von heute sechs bekannten mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften, deren Texte unter dem Begriff 'Kemptener Chroniken' oder 'Kemptener Klosterchroniken' zusammengefasst werden. Sie hängen inhaltlich sehr eng zusammen, stimmen in Teilen wörtlich überein, variieren aber die Textbausteine und aktualisieren die Texte. Cgm 9470 überliefert die von der Forschung als ‚Karlschronik’ bezeichnete Fassung und ist als einzige mit 59 kolorierten und lavierten Federzeichnungen illuminiert.
Cgm 5819, geschrieben 1479, ist die älteste der Handschriften. Sie enthält die als ‚Erste Kemptener Klosterchronik‘ bezeichnete Fassung. In Cgm 9280, der sogenannten "Krälerschen Handschrift", 1506 geschrieben, sind beide Fassungen enthalten.
Als Autor all dieser deutschsprachigen 'Kemptener Chroniken' und weiterer Werke in lateinischer Sprache, die sich in unterschiedlicher Weise ebenfalls mit der Geschichte des Stiftes Kempten befassen, gilt Johannes Birk aus Biberach, der vom Ende der 1460er Jahre mindestens bis zum Jahre 1494 Leiter der Stiftsschule in Kempten war. Die Frage der Autorschaft ist jedoch nicht endgültig geklärt.
Zum Inhalt von Cgm 9470
In Cgm 9470 gehen der 'Chronik' ein Kalender und medizinische und astronomisch/astrologische Texte voraus; am Schluss der Handschrift sind Anweisungen für das Pflanzen und die Pflege von Bäumen hinzugefügt. Der Inhalt der 'Chronik' selbst, über den das einleitende Kapitel eine kurze Übersicht bietet, ist eine bunte Mischung aus historischen Berichten, Heiligenlegenden, Wundergeschichten, Fabeln u.ä.
Am Beginn stehen genealogisch geprägte Berichte über das Herkommen Kaiser Karls des Großen, seiner Gattin Hildegard und deren Sohn Ludwigs des Frommen (778-840), an die sich Ausführungen über die Gründung des Klosters Kempten anschließen. Geschildert werden die Weihe des Klosters durch Papst Hadrian (gest. 795) in Anwesenheit Karls des Großen und Hildegards. Aufgeführt werden die urkundlichen Bestätigungen für das Kloster durch Karl den Großen sowie die Namen der ersten Mönche des Klosters.
Einen breiten Raum nimmt Hildegard ein, deren heiligmäßige Lebensführung in einer weiteren Vita behandelt wird. Es folgen eine weitere Vita Karls des Großen und annalistische Notizen bis zum Jahre 1494. Am Schluss wird die Geschichte des Ritters "Heinrich von Kempten" erzählt.
>> Diese Sammlung ist Teil des Bestandes der Bayerischen Staatsbibliothek.