Minnesang 13.-15. Jahrhundert

Obwohl in den Münchener Handschriften nur wenige Lieder des Minnesangs überliefert sind (vgl. Tegernseer Liebesgruß, Carmina Burana, Tagelieder Wolframs von Eschenbach [1170-1220]), lohnt ein Einblick in diesen, zumal nicht wenige Dichter aus dem altbayerischen, schwäbischen und fränkischen Raum tonangebend für diese Gattung gewesen sind: Minnesänger wie Albrecht von Johansdorf (vor 1180-1209), Walther von der Vogelweide (um 1170-1230), Neidhart von Reuenthal (Schaffenszeit 1210-1240), Ulrich von Winterstetten (vor 1241-1280) oder der fahrende Berufsdichter Thannhäuser (gest. nach 1266), dessen Wurzeln in Thannhausen (heute Freystadt, Lkr. Neumarkt in der Oberpfalz) vermutet werden, zählen zu den bekanntesten. Neben den literarischen Zentren am Ober- und Niederrhein sowie in Thüringen spielt Bayern eine führende Rolle in der Ausbildung höfischer Stoffe und Formen. Der erste bayerische Dichter, der die heimischen Elemente mit den neuen romanischen Vorbildern verbindet, ist Albrecht von Johansdorf; der größte deutsche Minnesänger und Spruchdichter am Hof des Passauer Bischofs Wolfger (1191-1204) ist zweifellos Walther von der Vogelweide (gest. 1. Hälfte 13. Jahrhundert).

Die Geschichte des deutschen Minnesangs beginnt in der Mitte des 12. Jahrhunderts und erreicht in der sog. staufischen Klassik, der Zeit zwischen 1170 und 1220/30, ihre Blüte; um die Mitte des 13. Jahrhunderts bis ca. 1350 dauert dann die Phase des späten Minnesangs. Die Standeskultur der höfischen Gesellschaft, die den Minnesang trägt, ist geprägt vom Ethos ritterlicher Tugendbegriffe wie "êre" (Ansehen, Würde), "triuwe" (Treue), "milte" (Freigiebigkeit), "mâze" (Mäßigung) und "staete" (Beständigkeit) etc. Im Mittelpunkt steht dabei die "minne", die dienstbare, hingebungsvolle Liebe, als personalisierende und gesellschaftlich prägende Lebensmacht. Im Kontext mit der literarischen Form ist der Minnesang durchaus mit Liebeslyrik gleichzusetzen.

Diese kennt als Vortrags- und Formkunst alle Schattierungen und reicht vom sinnlich-erotischen Begehren bis zur Sublimierung der höfischen (verheirateten) "Dame" zum irdischen "höchsten Gut". Die Untergattungen des Minnesangs erstrecken sich vom "Minne- oder Werbelied" als Minneklage des Mannes an eine unerreichbare Frau, über das "Tagelied" als Abschied zweier Liebender bei Tagesanbruch nach einer gemeinsamen Nacht bis hin zum "Mädchenlied" auf ein ständisch niederes Mädchen als Bruch mit der Hohen Minne.

Der hier vorgestellte Frauendienst (Cgm 44) von Ulrich von Liechtenstein (um 1200-1275) besteht aus 1850 epischen Strophen, 58 Liedern, drei Büchlein und sieben Briefen. Das Werk gilt als das erste in Ich-Form geschriebene Epos deutscher Sprache und schildert das Minneverhältnis des Ritters Ulrich zu zwei von ihm verehrten Damen. Während die Lieder, Briefe und Minnereflexionen dem Ideal der höfischen Liebe entsprechen, sind die epischen Teile durchweg komisch angelegt. Die komische Selbstentlarvung des Ich-Erzählers betont den künstlichen, theoretischen und unwirklichen Aspekt des Minnesangs. Dagegen verhandeln die in mehreren Handschriften überlieferten Minnereden aus Ostschwaben die weltliche Minne in allen Ausprägungen des literarischen Genres. Die Entstehungszeit der sie hier enthaltenden Handschrift (Sprüche und Mären, Cgm 270) fällt in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts.