Weltliche Epik 13.-15. Jahrhundert
Mit der klassischen Epik tritt Bayern, wenngleich in Konkurrenz zu den Wittelsbachern, um 1200 voll in Erscheinung: mit dem anonymen Nibelungenlied auf der einen, mit dem Parzival Wolframs von Eschenbach (um 1170-1220) auf der anderen Seite. Das Nibelungenlied, entstanden am Passauer Bischofshof, bringt als erstes und zugleich bedeutendstes mittelhochdeutsches Heldenepos die nur in mündlicher Liedüberlieferung bestehenden älteren Heldensagen aus germanischer Völkerwanderungszeit zur schriftlichen Form und verbindet das germanische Ethos unausweichlicher menschlicher Tragik mit christlichen und höfischen Elementen. In 39 Aventiuren (Abenteuern) und rund 2400 Strophen werden Leben und Tod des Helden Siegfried sowie Kriemhilds Rache besungen; den historischen Kern bildet dabei die Niederlage des völkerwanderungszeitlichen Burgundenreichs gegen hunnische Hilfstruppen im Jahre 436. Wolframs Parzival ist nicht nur das beliebteste und verbreitetste höfische Epos des Mittelalters, sondern auch das weitgespannteste Werk der mittelhochdeutschen Klassik. Der in 16 Büchern gegliederte Versroman geht auf altfranzösische Quellen zurück und vereint die beiden großen höfischen Stoffkreise um König Artus und den Heiligen Gral. Als stoffliche Fortführung erscheint der unvollendet gebliebene Titurel.
Das zweite große Epos Willehalm nach der Vorlage einer "Chanson de geste" verfasst Wolfram, der sich wahrscheinlich nach der fränkischen Stadt Eschenbach (seit 1917 Wolframs-Eschenbach) nennt, in den Jahren 1210-1220 am thüringischen Landgrafenhof. Fortgesetzt wird dieses Werk durch den nach dem Haupthelden benannten "starken" Rennewart des Schwaben Ulrich von Türheim (ca. 1180-1250): Die Handlung knüpft da an, wo der Willehalm abbricht – beim Sieg der Christen über die Heiden in der zweiten Alischanzschlacht. Von Ulrich stammt auch die Fortsetzung des Tristan von Gottfried von Straßburg (gest. um 1215): Sie schließt das Geschehen mit Tristans und Isoldes Liebestod ab und bewegt sich in fromm-moralischen Bahnen. Neben dem Antiken- und dem Artusroman bilden der Tristan und seine Fortsetzungen den dritten wichtigen Komplex des höfischen Romans mit den Hauptmotiven „liebe“ und „leit“ der „edelen herzen“. Als Spross eines staufischen Ministerialengeschlechts wird Ulrich von Türheim zusammen mit dem Minnesänger Ulrich von Winterstetten (vor 1241-1280) einem spätstaufischen Dichterkreis zugeordnet.
Eine weitere stoffliche Ausweitung gegenüber seinem Vorgänger "Parzival" bzw. "Titurel" gibt das Epos Jüngerer Titurel (um 1260/75) eines vielleicht aus Bayern stammenden Dichters namens Albrecht, der lange Zeit mit einem sonst unbekannten Albrecht von Scharfenberg identifiziert worden ist, von dem auch Ulrich Füetrers (gest. 1496) Buch der Abenteuer einen Text enthält. Die Rezeption jenes im Mittelalter Wolfram zugeschriebenen Werks reicht bis ins 15. Jahrhundert; die hier vorgestellte sog. Fernberger-Dietrichsteinsche Handschrift ist mit einem künstlerisch anspruchsvollen Bilderzyklus versehen.
Zukunftsweisend mit Blick auf das Spätmittelalter erweist sich im 13. Jahrhundert die Literatur mit didaktischer Absicht und wissenschaftlichem Anspruch. Die mit rund 25000 Versen umfangreichste deutsche Lehrdichtung des Mittelalters stellt "Der Renner" des ostfränkischen Dichters und Bamberger Schulrektors Hugo von Trimberg (um 1230 - nach 1313) dar. Das Werk vereinigt allerhand Wissenswertes aus den Bereichen Theologie, Recht, Medizin und Naturwissenschaft und gibt auch praktische Unterweisungen. Wesentlich modern ist die Gattung der Minneallegorie. In die Form der Jagd-Allegorie kleidet der Oberpfälzer Dichter Hadamar von Laber (um 1330-1355) das Thema der Liebeswerbung in seinem Minne-Epos "Die Jagd", wobei die Jagdhunde allegorisch nach Eigenschaften des Jägers, aber auch nach Einstellungen der (gejagten) Dame sowie Aspekten und Handlungen der Liebe benannt sind. "Der Ring" des Konstanzer Juristen Heinrich Wittenwiler (um 1410) zählt zu den erstaunlichsten Erzählwerken des deutschen Spätmittelalters. Das komisch-lehrhafte Epos erzählt die Liebes- und Hochzeitsgeschichte des tölpelhaften Bertschi Triefnas und der hässlichen Metzli Rürenzumpf aus Lappenhausen und ist nur in dem hier vorliegenden Pergamentcodex in einer alemannisch-bairischen Mischsprache überliefert.