Die Landesaufnahme der Markgrafschaft Burgau, 1612-1613/14

Die vorderösterreichische Markgrafschaft Burgau umfasste bis 1805 einen bedeutenden Teil des heutigen Bezirks Schwaben (Gebiet der heutigen Landkreises Günzburg, daneben Teile der Landkreise Augsburg, Dillingen, Donau-Ries, Unterallgäu, Neu-Ulm; ferner einzelne Orte im Lkr. Heidenheim und Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg). Zur Markgrafschaft gehörte allerdings kein geschlossenes Territorium, sondern ihr Sprengel markierte eher einen "Rechts(anspruchs)bereich" (Reinhard H. Seitz). Denn innerhalb der Burgauer Hochgerichts- und Forstgrenzen waren zahlreiche andere geistliche und weltliche Herrschaftsträger vertreten. Darunter auch Reichsstifte, Reichsstädte und Reichsritter sowie der Bischof von Augsburg.

Die Habsburger ließen die Markgrafschaft gewöhnlich durch einen in Günzburg stationierten Beamten (Landvogt) verwalten. Zwischen 1609 und 1618 aber stiegt diese Landvogteistelle zur Residenz auf: Markgraf Karl von Burgau (1560–1618) trat dort eine persönliche Regierung an. Er war ein nicht für die Erbfolge als Tiroler Landesfürst berechtigter Sohn aus Erzherzog Ferdinands (1529–1595) Ehe mit der Augsburgerin Philippine Welser (1527–1586). Markgraf Karl intensivierte die habsburgischen Herrschaftsansprüche, indem er u. a. Zölle erhöhte und neu erhob. Daher kam es bald zu zahlreiche Jurisdiktionskonflikte mit Nachbarn und "Insassen".

Vor diesem Hintergrund beauftragte der Markgraf den bedeutenden schwäbischen Landtafelmaler Johann Andreas Rauch (1575–1632) mit der Vermessung und Kartierung der gesamten Markgrafschaft Burgau. Rauch vollendete 1613 oder 1614 eine fast 3 x 3 m große, prunkvolle, in Öl gemalte Wandkarte. Dieses Werk wird heutzutage im Bayerischen Nationalmuseum verwahrt. Zusätzlich existiert eine wohl sehr zeitnah zum Original entstandene, verkleinerte und inhaltlich etwas vereinfachte Nachzeichnung (kolorierte Federzeichnung; ca. 87 x 83 cm). Im Gegensatz zu Rauchs Ölgemälde enthält die Zeichnung weder ein Straßennetz noch Darstellungen von Menschen und Tieren. Ihre Lagegenauigkeit ist gemäß Rauchs virtuoser Vorlage verblüffend hoch. Vergleiche u. a. von Kirchtürmen zeigen: Die vielen kleinen Ortsansichten geben offenbar das reale damalige Erscheinungsbild wieder.

Rauchs originale Burgauer Landtafel ist derzeit nicht für Publikum zugänglich. Daher kann die hier bereitgestellte, wohl bald nach 1613/14 entstandene Nachzeichnung einen gewissen Ersatz bieten. Stilistische Vergleiche mit Abdrucken der Rauch-Karte legen nahe, dass die kleinere Ausführung wohl eher nicht von Rauch selbst stammt. Wahrscheinlich ließ man die unbewegliche, fast 9 qm große Wandkarte nach ihrer Vollendung aus praktischen Gründen (Einsatz in der Verwaltung) durch einen Kopisten in ein handlicheres Format übertragen. Zu selbigen Zwecken dürften zwei Kopien des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Diese befinden sich heute im Stadtarchiv Günzburg und im Tiroler Landesarchiv Innsbruck.

Sarah Hadry

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