Bayerische Schriftstellerinnen und die bürgerliche Frauenbewegung um 1900

"Entweder Selbstentehrung
Wenn nicht, ein ruhiges Tragen seiner Schmach,
Und das, das ist die Antwort, die ein Mann
In unserer hellen Zeit zu geben wagt
Der Frau, die er beleidigt."

"Eine andere
Wär’ gegen den Brauch."
"So wisse, daß das Weib
Gewachsen ist im neunzehnten Jahrhundert",
Sprach sie mit großem Aug’, und schoß ihn nieder.


(Aus: Maria Janitschek, "Ein modernes Weib", in: Irdische und unirdische Träume, 1899)

So drastisch diese Darstellung einer Frau, die auf ihrem Recht der Gleichbehandlung besteht, in dem Gedicht Maria Janitscheks (1859-1927) anmutet, so wirkungsvoll und modern erschien sie zu einer Zeit, in der die Frauen im öffentlichen Leben und in der Politik keine Rolle spielten und die emanzipatorischen Bestrebungen im Zuge der Industrialisierung und der damit verbundenen sozialen Umwälzungen nach 1850 frischen Aufwind bekamen: Junge Frauen zog es in die Fabriken und Geschäfte, für die bürgerlichen unter ihnen waren Berufe wie Lehrerin, Erzieherin oder Krankenpflegerin vorgesehen. Die Frauen begannen, sich für Recht und Bildung einzusetzen.

Modern sein wurde für die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen schließlich zum Schlüsselbegriff der Literaturproduktion und der Lebenspraxis, insbesondere in München. Als die Frauenbewegung hier einsetzte, "gingen [...] auch die Wogen der modernen Literatur- und Kunstbewegung hoch. Es wurden daher häufig beide Strömungen, die der Frauenbewegung und die der 'Moderne', als eines Wesens angesehen und verwechselt", schreibt der Kunsthistoriker und Journalist Georg Jacob Wolf (1882-1936) in seinem Buch Die Münchnerin (1924).

Ihren Anfang nahm die bürgerliche Frauenbewegung in Bayern im Jahr 1886, als zwei junge Frauen aus Dresden in die bayerische Residenzstadt kamen: Anita Augspurg (1857-1943) und Sophia Goudstikker (1865-1924). Die beiden Frauen wollten zusammenleben und entsprechend ihren Lebensunterhalt verdienen, gemeinsam gründeten sie das Fotoatelier Elvira (1887), das bald darauf zur Keimzelle der Frauenbewegung wurde. Viele namhafte Künstlerinnen und Schriftstellerinnen ließen sich hier porträtieren, darunter Emma Merk (1854-1925), die als unverheiratete selbständige Frau nicht nur den neuen emanzipierten Frauentypus verkörperte, sondern auch in direkter Nähe zum Fotostudio lebte. Ihre Wohnung wurde zum Treffpunkt von Münchens bürgerlichen Frauen, zu denen aber auch männliche Künstler und Gelehrte dazustießen, nicht zuletzt der Dichter und Professor für Nationalökonomie Max Haushofer (1840-1907), Emma Merks späterer Ehemann.

Nach der 1890 gegründeten, unter naturalistischem Vorzeichen stehenden "Gesellschaft für modernes Leben" wurde vier Jahre später die "Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau", der spätere "Verein für Fraueninteressen" (1899), in München gegründet. Von jetzt an nahm die Frauenbewegung sowohl in künstlerischer als auch intellektueller Hinsicht ihren Lauf.

Die bavarikon-Ausstellung möchte – nach der Ausstellung Evas Töchter in der Monacensia im Hildebrandhaus (2018) und im Rückblick auf 100 Jahre Frauenwahlrecht – den bewegten schreibenden Frauen in Bayern Rechnung tragen. Gezeigt werden Digitalisate von Münchner Schriftstellerinnen, deren Nachlässe alle in der Bayerischen Staatsbibliothek liegen – ihre fiktionalen Werke und essayistischen Schriften, ihre Korrespondenzen mit kulturellen und literarischen Persönlichkeiten der Stadt innerhalb und außerhalb der Frauenbewegung, sowie die Porträts ihrer wichtigsten Vertreterinnen.

Über die Ausstellung

Literaturhinweise