Carry Brachvogel

Carry Brachvogel (1864-1942) wird als Tochter des jüdischen Bankiers Heinrich Hellmann (1819-1880) und seiner Frau in München geboren. Nach einer Erziehung zur höheren Tochter heiratet sie 1887 den katholisch-schlesischen Schriftsteller und Redakteur bei den "Münchner Neuesten Nachrichten" Wolfgang Brachvogel (1854-1892). Sie haben zwei Kinder; die Tochter bleibt religionslos, der Sohn wird nach dem Vater katholisch getauft.

Nach dem Tod ihres Ehemanns veröffentlicht sie 1895 ihren ersten Roman Alltagsmenschen. Durch Vermittlung von Ernst von Wolzogen (1855-1934) wird ihr Manuskript vom S. Fischer Verlag übernommen. Alltagsmenschen schildert das Schicksal einer jungen Frau, die an der traditionellen Rolle als Ehefrau scheitert und eine außereheliche Beziehung führt.

Die Frage nach dem Ausweg der Frau aus ihrer gesellschaftlichen Rolle beschäftigt Brachvogel auch in ihrem Novellenband Der Erntetag (1897). Das Buch wird wie ihr Debüt wohlwollend von der Kritik aufgenommen. 1901 erscheint ihr Roman Die große Pagode, worin sie die Ausbeutung Münchener Schauspielerinnen anprangert.

1903 ist Brachvogel Mitglied im Verein für Fraueninteressen. Obwohl sie nicht so radikal wie Anita Augspurg (1857-1943) ist, kann sie viel bewegen und wird zehn Jahre später in den Vorstand des Vereins gewählt. Ihre Forderung nach einem neuen Selbstverständnis der Frau untermauert sie in dem dort gehaltenen Vortrag Hebbel und die moderne Frau (1912).

Aufgrund ihres schriftstellerischen Erfolgs und Einsatzes für die Rechte der Frau gehört Brachvogel zu den herausragenden Frauengestalten Münchens. Gemeinsam mit Emma Haushofer-Merk (1854-1925) gründet sie 1913 den Münchner Schriftstellerinnen-Verein. 1920 publiziert sie die Schrift Eva in der Politik, in der sie die historische Entwicklung der Frau in der Politik nachzeichnet: "Der Staat ist eine Schöpfung des Mannes. [...] Die Frau, die den Staatsgedanken nicht ausdachte, hat auch, nach dem Gebot der Männer, an seinem Ausbau keinen Anteil haben dürfen", heißt es darin.

Nach dem Tod von Haushofer-Merk wird sie 1. Vorsitzende des Schriftstellerinnen-Vereins. Der aufkeimende Nationalsozialismus zwingt sie allerdings zum Rücktritt: Der Verein wird aufgelöst, Brachvogel mit einem Publikationsverbot belegt. Von nun an lebt sie zurückgezogen. Zusammen mit ihrem Bruder Siegmund (1872-1942) wird sie am 22. Juli 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie vier Monate nach ihrer Ankunft stirbt.