Familie schreibt Geschichte
Die Patrizierfamilie Tucher zählt nicht zu den ältesten Geschlechtern Nürnbergs, stammt aber vermutlich – wie viele andere – ursprünglich aus dem hochmittelalterlichen Stand der Reichsministerialen (Dienstadel). Die Genealogie des Großen Tucherbuchs setzt mit dem 1326 verstorbenen Stammvater Konrad ein. 1340 wurde mit Berthold I. (gest. 1379) erstmals ein Tucher Mitglied im Kleineren Rat der Reichsstadt. Bereits im 14. Jahrhundert sind Eheschließungen zwischen den Tucher und den vornehmsten Familien der Stadt belegt.
In der vierten Generation bildeten sich durch die Nachkommen von Hans II. (gest. 1449) und Endres I. (gest. 1440) die Ältere und die Jüngere Linie heraus, die beide bis heute blühen. Je ein Mitglied jeder Linie war bis zum Ende der Reichsstadt 1806 nahezu ununterbrochen im Kleineren Rat vertreten.
Mit dem Großen Tucherbuch ist nicht nur das prunkvollste und wertvollste Geschlechterbuch dieser Gattung überliefert – es manifestiert auch eindrucksvoll das besondere Interesse der Tucher an familiärer Geschichtsschreibung. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts verfassten Mitglieder des Geschlechts unsystematische chronikalische Aufzeichnungen, in die biographische und autobiographische Details einflossen. Die Schilderungen des Jerusalemfahrers Hans VI. (gest. 1491) gehören ebenfalls dazu. Der eigentlichen Genealogie widmete sich dann ausführlich der mütterlicherseits von den Tucher abstammende Jurist Dr. Christoph Scheurl (gest. 1542), auf dessen Textgrundlage das Große Tucherbuch entstand.
Bedeutende wirtschaftliche Erfolge erzielten die Tucher mit ihrer europaweit agierenden Handelsgesellschaft, der "Tucherisch Compagnia", die bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts tätig war. Ihre Gewinne investierte die Familie in Grundbesitz in Stadt und Umland von Nürnberg, so erwarb sie 1598 ihren namensgebenden Sitz Simmelsdorf. In der Folgezeit kamen vor allem aus den Erträgen der Dr. Lorenz Tucher’schen Stiftung weitere Güter hinzu. 1815 wurden die Tucher in die Freiherrenklasse des bayerischen Adels immatrikuliert.
Antonia Landois