KulturErben. Die Osingverlosung

Der Osing ist eine gemeindefreie Hochfläche von 274 Hektar zwischen den vier Gemarkungen Herbolzheim, Humprechtsau, Krautostheim und Rüdisbronn am Südrand des Steigerwaldes. Die von den vier Gemeinden gemeinschaftlich genutzte Fläche umfasst vor allem 213 Äcker und wird alle zehn Jahre unter den Anteilseignern, den sogenannten "Rechtlern", zur land- und forstwirtschaftlichen Bearbeitung in ritualisierter Form nach festgelegten Regeln verlost - die nächste Verlosung findet 2024 statt. Die Art der Bearbeitung sowie die Vermarktung der Erträge bleibt den jeweiligen bäuerlichen Familien überlassen, die zur Allmende gehörigen Streuobstwiesen, Karpfenweiher und Jagdrechte werden von den Osing-Gemeinden verpachtet.

Der 1465 erstmals urkundlich erwähnte Osing ist im Zuge des hochmittelalterlichen Landausbaus vermutlich als gemeinsames Rodungsunternehmen der vier beteiligten Dörfer entstanden. Mit dem sogenannten Osingbrief von 1587 erhielt die gemeinsame Nutzung der Fläche Rechtssicherheit. So wurde dort auch festgelegt, dass die Felder alle zehn Jahre verlost werden sollen. Die Verwaltung dieses Gebietes obliegt seitdem einem gewählten Kollegium. Seit 1855 besteht die Osingverwaltung aus acht Vertreterinnen und Vertretern der vier beteiligten Gemeinden.

Träger dieser kulturellen Rechtspraktik sind die Besitzer von Hofstellen in den vier Orten. Die Osingverlosung selbst findet unter reger Beteiligung der Bevölkerung in festlicher Form statt, wozu sich die Bewohnerinnen und Bewohner der vier Gemeinden einfinden. Die ehrenamtliche Osingverwaltung führt die Verlosung durch, ist aber auch während des zehnjährigen Turnus Ansprechpartnerin bei Problemen und kontrolliert die Nutzung der Flächen. Der Verein zur Osingdokumentation organisiert die Osingverlosung und die jährlichen Feste auf dem Osing.

Zur Öffentlichkeitsarbeit des Osingvereins gehört seit 2005 die Inszenierung der mit dem Osing verbundenen Stiftungssage um die "Kaiserin Kunigunde von Luxemburg" (um 980–1033), die den vier Gemeinden die Osingfläche aus Dankbarkeit geschenkt haben soll. Alle zwei Jahre wird eine junge Frau gewählt, die als Repräsentantin des Vereins bei öffentlichen Veranstaltungen auftritt. Zur Weitergabe des Wissens rund um den Osing und die Osingverlosung betreibt der Verein ein Museum, in dem neben der Geschichte der gemeinschaftlichen Nutzung auch die einzelnen Bodenbeschaffenheiten erläutert werden. Man kann dort auch eine Verlosung nachspielen und so den Ablauf und die Regeln genauer kennenlernen.

Zur Ausstellungseinheit: KulturErben. UNESCO-Übereinkommen und kulturelle Vielfalt

Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000240/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"