KulturErben. Passionsspiele Oberammergau

Die Passionsspiele in Oberammergau führen das Leiden, Sterben und die Auferstehung Christi in einer aufwändigen Inszenierung auf großer Bühne unter freiem Himmel auf. Der teils legendenhafte Ursprung für die Spiele soll eine Pestseuche 1633 sein und ein Gelübde, alle zehn Jahre ein Passionsspiel aufzuführen, wenn die Pest keine weiteren Opfer mehr fordere. Eine erste Aufführung wird für Pfingsten 1634 angenommen, der erste archivalische Beleg von 1662 beinhaltet eine bereits revidierte Textfassung. Das Passionsspiel wurde, mit wenigen Ausnahmen, etwa alle 10 Jahre gespielt, was immer wieder gegen Verbote durchgesetzt werden musste.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden die Passionsspiele zunehmend auch von Gästen aus anderen Regionen und Ländern besucht. 1820 kamen bereits 19.000 Zuschauer, 1880 waren es schon 100.000. Wegen der Folgen des Ersten Weltkriegs verschob man das Passionsspiel 1920 um zwei Jahre. Zur Erinnerung an das Gelübde von 1633 beschlossen die Oberammergauer 1933, im Folgejahr Passionsspiele zum 300-jährigen Jubiläum aufzuführen. Die nationalsozialistische Ideologie nahm jetzt insofern Einfluss, als das Passionskomitee Bestimmungen zum "Schutz gegen die Überfremdung" u.a. beschloss, das Spiel für "reichswichtig" erklärt wurde und finanziell unterstützt wurde. Adolf Hitler (1889-1945) besuchte das Passionsspiel im August 1934. Im Zweiten Weltkrieg fielen die Passionsspiele 1940 aus.
1950 nahm man die Inszenierung von 1930/34 fast unverändert wieder auf, worauf die negativ-stereotypen Darstellungen von Juden als antisemitisch verurteilt wurden. Seit den 1960er Jahren arbeitet man die nationalsozialistischen Einflüsse auf. Erst für die Aufführung 1990 kam es zu einer grundlegenden Reformierung des Spieltextes, indem neue theologische und historische Erkenntnisse berücksichtigt und antisemitische Aussagen getilgt wurden. Unter dem Oberammergauer Spielleiter Christian Stückl (geb. 1961) suchte man für die Interpretation des Spiels auch den interkonfessionellen Dialog.
Jeder Aufführungssaison gehen lange Vorbereitungen voraus. Im Vorjahr wird das Gelübde von 1633 erneuert. Am Aschermittwoch ergeht der "Haar- und Barterlass", der die Oberammergauer Männer verpflichtet, ihre Haare wachsen zu lassen, damit sie ihre Rollen im Passionsspiel angemessen verkörpern können. Im April werden die Hauptdarstellerinnen und -darsteller verkündet. In der letzten Spielsaison 2010 gab es 104 Aufführungen vor etwa 500.000 Besuchern. Etwa 2.500 Personen, auch Kinder, wirken an dem mehrstündigen Spiel auf und hinter der Bühne mit. Mitspielen darf, wer in Oberammergau geboren ist oder mindestens 20 Jahre im Ort lebt. Einschränkungen für verheiratete Frauen oder Frauen über 35 Jahre wurde 1990 abgeschafft, seit 2000 dürfen nicht mehr nur Christinnen und Christen mitspielen.
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>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".