Liberalismus im Königreich Bayern

In Bayern gab es seit den 185oer Jahren mehrere liberale Gruppierungen und Parteien, die insbesondere für die Freizügigkeit des Individuums, die Freiheit von Handel, Industrie und Gewerbe, eine Beschränkung des kirchlichen Einflusses im Schulwesen und die Aufhebung der Zensur eintraten. Im März 1863 wurde in Nürnberg die "Deutsche Fortschrittspartei in Bayern" als Zweig der Deutschen Fortschrittspartei gegründet, die sich rasch zur bedeutendsten liberalen Fraktion entwickelte. Als offizielles Organ fungierte die "Wochenschrift der Fortschrittspartei in Bayern", die von 1865 bis 1873 erschien. Initiiert hatte sie Karl Brater (1819-1869), Jurist und Mitbegründer der Partei.

Seit Mitte der 60er Jahre schlossen sich die liberalen Parteien im Landtag zur "Vereinigten Liberalen" zusammen. Ihr Wählerreservoir bestand vor allem aus dem protestantischen Besitz- und Bildungsbürgertum in Ober- und Mittelfranken, Schwaben und teilweise der Pfalz. Anhänger hatten sie zudem in allen großen bayerischen Städten. Die Liberalen stellten bis Ende der 1860er-Jahre die Mehrheit in der Kammer der Abgeordneten des Landtags, arbeiteten dabei eng mit der Regierung zusammen und verantworteten einige Reformgesetze. Bei den Landtagswahlen 1869 verloren sie diese Mehrheit an die Patrioten und erlangten sie bis zum Ende der Monarchie auch nicht mehr zurück. Umstritten war bei den Liberalen zunächst die Lösung der Deutschen Frage: Hier schwenkten sie 1866 auf die "kleindeutsche Lösung" ein, die einen deutschen Nationalstaat unter preußischer Führung und unter Ausschluss Österreichs vorsah.

Für König Ludwig II. nahmen die Liberalen eine sehr ambivalente Rolle ein: Obwohl ihm die Patriotenpartei politisch-weltanschaulich eigentlich näherstand, wählte er nach 1869 weiterhin die Minister aus der liberalen Landtagsminderheit aus. Er wollte damit eine Parlamentarisierung der Regierungsarbeit verhindern. Sein Kurs führte dazu, dass sich der Gegensatz zwischen Regierung und Parlament verschärfte und viele Gesetzesvorhaben blockiert wurden.

Matthias Bader