„Kulturkampf“
"Kulturkämpfe" waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein verbreitetes Phänomen in den europäischen Staaten, die große katholische Bevölkerungsanteile hatten. Aus Sicht der Regierungen ging es dabei vor allem darum, die Einflüsse der katholischen Kirche auf Staat und Gesellschaft zu reduzieren und die staatlichen Hoheitsrechte zu stärken. Im Unterschied zu Preußen nahm der Kulturkampf in Bayern einen recht milden Verlauf. Unter Ludwig II. kam es in den 1860er Jahren zu Konflikten mit der katholischen Kirche, als die von Liberalen geführten Ministerien die geistliche Schulaufsicht abschafften, das konfessionelle Schulwesen verstaatlichten und die Sozialgesetzgebung reformierten. Verschärfend kam hinzu, dass der König massive Ängste vor einer Einschränkung seiner Thronrechte hatte.
Der eigentliche Kulturkampf begann 1869/70, als Ludwig II. und seine Regierung anlässlich des Ersten Vatikanischen Konzils erfolglos versuchten, gegen die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit und ihre Bekanntmachung in den bayerischen Bistümern vorzugehen. Auf diesen Ereigniskomplex spielt auch die hier gezeigte Karikatur aus dem satirischen Wochenblatt "Stadtfraubas" an, die im April 1870 erschien. Pauschal als "liberale Oster-Eier" werden hier mehrere Persönlichkeiten präsentiert, die zwar alle gegen den Unfehlbarkeitsbeschluss des Konzils opponierten, aber nicht alle aus dem liberalen Lager stammten: Im Zentrum steht König Ludwig II., links oben der kurz zuvor zurückgetretene, liberal gesinnte Vorsitzende des Ministerrats Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1819-1901), rechts oben der Jurist und liberale Politiker Joseph Völk (1819-1882), links unten der Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger (1799-1890) sowie rechts unten Daniel Bonifaz von Hanneberg (1816-1876), Abt von St. Bonifaz in München, Theologieprofessor und Teilnehmer des Konzils.
Erfolgreicher waren dagegen einige Maßnahmen, die vor allem der Minister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten, Johann von Lutz (1826-1890), vorantrieb. Dazu gehörten die Unterstützung bestimmter Reichsgesetze und Verwaltungsmaßnahmen, z.B. der "Kanzelparagraph", das Jesuitengesetz oder die Einführung der Zivilehe. Vor allem die Tatsache, dass die Patrioten als Vertreter der konservativ-katholisch-kirchlichen Klientel in der Kammer der Abgeordneten des Landtags die Mehrheit hatten, verhinderte tiefgreifende Maßnahmen in Bayern. So ebbte der Konflikt 1873 wieder ab.
Matthias Bader