Mori Ogai und sein Werk „Wellenschaum“

Mori Rintarô (1863-1922), der das Pseudonym Ôgai ("Möwenfern") verwendete, wurde als Mitglied der japanischen Armee 1884-1888 zu Studien nach Deutschland geschickt. Von 1886-1887 hielt er sich in München auf, wo er bei Max von Pettenkofer studierte. Moris deutsche Jahre, insbesondere die Münchener Zeit, prägten seine spätere Karriere als Schriftsteller entscheidend. In Japan gilt er als der große Vermittler zwischen der altjapanischen und der europäischen Literatur.

Die Königstragödie von 1886 erlebte Mori in München. Ludwigs und Guddens Tod, die er beide als Künstler und Lyriker wahrnahm, erschütterten ihn.

Die 1890 als eine seiner ersten Prosawerke veröffentlichte Erzählung "Utakata no ki" ("Wellenschaum") bildet die mittlere von Mori Ôgais "deutschen" Erzählungen. In ihr verarbeitet er als erster Literat nach Karl Mays Kolportageroman "Der Weg zum Glück" (1886-1888) den Tod Ludwigs II. Bei Ôgai ist dieser ein unglücklich verliebter Künstlerkönig; einst hatte er das Waisenmädchen Marie begehrt, die jedoch vor ihm geflohen war. Als er am Unglücksabend Marie wiederbegegnet, die, einer inneren Eingebung folgend, mit dem Maler Kose zum Würmsee gereist ist, versucht er diese zu erreichen; er ertränkt Gudden, der ihn zurückzuhalten versucht, bevor er selbst den Tod findet.

Aber auch Marie stirbt, da sie am Schicksal des unglücklichen Königs zerbricht. Zurück bleibt nur Kose, dem das Schicksal der Menschen zerbrechlich wie Schaum auf den Wellen des Würmsees erscheint.

Friedrich Röhrer-Ertl