KulturErben. Bayerische Brautradition nach dem Reinheitsgebot

Das Reinheitsgebot nennt als Zutaten, die für die Herstellung von Bier verwendet werden dürfen, nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Trotz dieser Beschränkung hat sich durch handwerkliches Können und spezifisches Wissen um die Verwendung dieser Zutaten in Bayern eine Brautradition entwickelt, die in individuellen Variationen der Brauereien eine Vielfalt an unterschiedlichen Biersorten und Geschmacksrichtungen hervorbringt. In jedem Brauereibetrieb findet man unter dieser Bedingung einen eigenen Weg, um sein Bier zu brauen, und regional differierende Brauhandwerkstechniken tragen zudem zur Vielseitigkeit bei. Dieser regionale oder lokale Bezug führt in Verbindung mit Festen, Stammtischen oder Biergärten zu einer engen Bindung der Menschen an "ihr" Bier.

Wenn man sich deutschlandweit beim Bierbrauen auf das Reinheitsgebot bezieht, dann ist die 1516 von den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. (1493-1550) und Ludwig X. (1495-1545) in Ingolstadt erlassene Landesverordnung gemeint. Sie legte für das gesamte Herzogtum Bayern den Bierpreis sowie als alleinige Inhaltsstoffe Gerste, Hopfen und Wasser fest. Hefe ist hier nicht explizit genannt, weil deren Wirkung bei der alkoholischen Gärung noch unbekannt war. Die Beschränkung auf Gerste für die Malzherstellung lag daran, dass die wertvolleren Getreidearten Weizen und Roggen den Bäckern vorbehalten waren. Die Verordnung von 1516 hatte allerdings Vorläufer. So gab es im Laufe der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vor allem in den Städten eigene Reinheitsgebote. Die Begrenzungen wurden im Laufe des 17. Jahrhunderts gelockert und so durften dem Bier etwa auch Salz, Kümmel oder Wacholderbeeren zugegeben werden. Ziel der Verordnungen war weniger die strenge Einengung auf die drei Hauptzutaten, als eher gesundheitsschädliches Bier zu verbieten. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Beschränkung auf Wasser, Hopfen, Malz und nun auch Hefe in Bayern und heute für untergärige Biere auch bundesweit gesetzlich verankert.

Den Begriff "Reinheitsgebot" für die Verordnung von 1516 gebraucht man erst seit dem frühen 20. Jahrhundert. Geprägt hat ihn in einer Sitzung 1918 der Bayerische Landtag zur Beschreibung der historischen Verordnung. Deutschlandweit setzte sich der Begriff spätestens mit dem Streit um das sogenannte Süßbier in den 1950er Jahren durch. In historisierender Anmutung nachempfundene Pseudourkunden des sogenannten "Reinheitsgebots" greifen den Marketingbegriff aus dem frühen 20. Jahrhundert auf, um den Textausschnitt aus der 1516 erlassenen Landesordnung separat mit Unterschrift und Siegel darzustellen. Sie sind in vielen Formen verbreitet.

Die meisten bayerischen Brauereien sind Mitglied im Bayerischen Brauerbund.

Zur Ausstellungseinheit: KulturErben lernen, können, vermitteln

Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000225/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"