KulturErben. Flechthandwerkstradition in Bayern

Die Handwerkstechnik des Flechtens besteht darin, Materialien so ineinander zu verwirken, dass stabile Strukturen entstehen. Hierbei verwendet man Weidenruten, doch viele andere Stoffe wie beispielsweise Holz, Rattan oder auch Kunststoff werden heute im Flechthandwerk verarbeitet. Neben Körben oder Möbeln aller Art werden auch andere Gegenstände wie zum Beispiel Kinderwägen oder -wippen konstruiert. Zusammen mit handwerklich geflochtenen Kunst- und Designobjekten zeigen sie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieses Handwerks.

Das Flechten gilt als eine der ältesten Handwerkstechniken überhaupt und ist weltweit verbreitet. In Bayern hat sich um das oberfränkische Lichtenfels und Michelau im 19. Jahrhundert ein Zentrum der Korbmacherei gebildet, das bis ins frühe 20. Jahrhundert immer weiter ausgebaut wurde. So gab es 1906 im Lichtenfels benachbarten Michelau 886 Korbmacherinnen und Korbmacher bei einer Bevölkerung von 2.437 Menschen. Die Produkte wurden in Katalogen angepriesen und überwiegend exportiert. Mit der Kunststoffverarbeitung und der Etablierung neuer Verpackungsmaterialien nahm ab den 1960er Jahren die Bedeutung der Korbmacherei stark ab.

Heute ist das Flechthandwerk im Bundesinnungsverband des Deutschen Korbmacherhandwerks und im Landesinnungsverband des Bayerischen Flechthandwerks organisiert. Der Ausbildungsberuf der Flechthandwerksgestaltung kann in Deutschland nur an der Staatlichen Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels gelernt werden. Die Berufsfachschule und das Deutsche Korbmuseum in Michelau geben das breite Wissen und Können rund um das Flechthandwerk weiter. Der Umgang mit Schere, Messer, Pfriemen und Schlageisen werden aber auch in Volkshochschulkursen oder Workshops an interessierte Laien vermittelt. Ausstellungen oder der jährlich stattfindende Korbmarkt in Lichtenfels präsentieren eine große Vielfalt von Flechtobjekten, insbesondere aus dem Kunsthandwerk. Das handwerkliche Flechten kommt heute vermehrt auch in Kindergärten oder Schulen zum Einsatz, um die feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder zu fördern. Ebenso nutzen sonderpädagogische Einrichtungen und Inklusionsprojekte, insbesondere in der Blindenpädagogik, das Flechten.

Das Flechthandwerk besitzt in besonderer Weise für Oberfranken mit den Flechthandwerkszentren Lichtenfels und Michelau eine immer noch identitätsstiftende Bedeutung und verhilft der Region zu überregionaler Bekanntheit.

Zur Ausstellungseinheit: KulturErben erneuern

Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000210/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"