KulturErben. Goldhaubentradition im Passauer Land

Die "Goldhaubentradition im Passauer Land" umfasst die Herstellung und das Tragen von kunstvoll gefertigten Kopfbedeckungen für Frauen. Jede Goldhaube ist ein Unikat, in dem sich filigranes Handwerk und fantasievolles Kunstverständnis vereinen. Die Herstellung einer Goldhaube ist aufwändig: Um die 400 Stunden ausdauernde, präzise und fingerfertige Arbeitszeit fließen in eine Goldhaube ein. Gestickt wird heute mit einem vergoldeten Kupferfaden auf einem 15 x 115 cm breiten Band, das auf einem Drahtgestell befestigt ist. In dessen Mitte ist ein kugelförmiger Knauf angebracht. Zum Schluss wird die Haube mit einer Schleife fixiert. Ihr gesamtes Wissen geben die Trägerinnen bei Treffen und in Stickkursen weiter.

Vielen Frauen im bayerischen Flachland trugen etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Scheitel und Hinterkopf bedeckende, halbkugelige so genannte Bodenhaube. Fast zur gleichen Zeit kam die ähnlich geformte oberösterreichische "Linzer Goldhaube" in das Passauer Land. Goldhauben verbreiteten sich im Rottal, im unteren Bayerischen Wald sowie innaufwärts bis um Burghausen. Der teure Kopfschmuck war wohlhabenden Frauen vorbehalten, angefertigt wurde er von Putz- und Haubenmacherinnen. Die Passauer Goldhaube wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer seltener getragen, aber oft zusammen mit dazugehörigen Gewändern und Accessoires aufbewahrt.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten vereinzelt wieder Goldhaubenträgerinnen im Stadtbild Passaus auf. Ab den 1970er Jahren setzten sich einzelne Frauen für eine Wiederbelebung der Goldhaubentradition ein. 1973 fand ein erster Goldhaubenstickkurs in der Stadt statt, für den die Passauerin Ingeborg Gartz mit der Linzer Volkskundlerin Katharina Dobler zusammenarbeitete. Die Kunst der Haubenfertigung verfeinerte sich fortlaufend und mit der Einbindung der Goldhauben in einen festtäglichen Kleidungsstil aktualisierten die Frauen ihr Trachtenverständnis.

Die Goldhaubenfrauen sind heute in Stadt und Landkreis Passau und darüber hinaus beispielsweise auch im Landkreis Freyung-Grafenau oder im österreichischen Bezirk Schärding in Gruppen organisiert: "drent und herent" von Flussufern und Staatsgrenzen. Erfahrene Stickerinnen wie Franziska Rettenbacher (gest. 2019) aus Simbach am Inn leiteten die Handarbeiterinnen viele Jahre lang an, neue Goldhauben herzustellen. Neue oder ererbte Stücke werden heute zu kirchlichen und weltlichen, öffentlichen wie privaten Festlichkeiten getragen und präsentiert.

Zur Ausstellungseinheit: KulturErben gemeinschaftlich gestalten

Weitere informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000227/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"