Der weiße Kunigundenmantel

Zur Gruppe der Bamberger Kaisergewänder gehört auch der weiße Kunigundenmantel (DMB Inv.Nr. 3.3.0002). Seine Stickereien zierten ursprünglich keinen halbkreisförmigen Mantel, sondern ein rechteckiges Textil aus weißem Samit mit Spitzovalmuster.

Die 72 sich nahezu identisch wiederholenden, teils nur fragmentarisch erhaltenen Stickereielemente zeigen einen thronenden Herrscher mit Pendilien-Krone, Loros, Labarum sowie Sphaira. Sie sind heute in sieben parallel verlaufenden Reihen, jeweils versetzt zueinander angeordnet. Auf Höhe der Thronsitzfläche sind dazwischen Schriftriegel mit unterschiedlichen lateinischen Worten angebracht.

Die Kaisermotive, die byzantinische und abendländische Elemente kombinieren, und die Inschriften stammen zeitgleich aus einer westlichen Werkstatt und waren ursprünglich in horizontalen Reihen angebracht. Das eingestickte "HEINRICI" bestätigt die Verbindung zu Heinrich II. (973-1024, reg. 1014-1024).

Ob es sich ursprünglich um einen rechteckigen Mantel oder ein Tuch für das Grab des Kaisers handelte, lässt sich nicht mehr feststellen. Denn im Verlauf des Mittelalters wurden die Stickereien aus dem originalen Trägergewebe ausgeschnitten und mindestens einmal in radialer Anordnung auf ein rotes Gewand übertragen. In dieser Form wird er als roter Kunigundenmantel bei den Bamberger Heiltumsweisungen gezeigt.

Bei einer Reparatur 1478/1479 ergänzte der Bamberger Sticker Jörg Spiß ein Rückenschild mit einem Bild der Heiligen Kunigunde und der perlengestickten Beischrift "S. Cunegundis Pallium" sowie auf der Vorderseite einen Verschlussriegel mit "Hortus conclusus", was die mariengleiche Verehrung Kunigundes (gest. 1033) in Bamberg unterstreicht.

Bei der letzten Restaurierung 1956-1962 wurde dieser Verbund aufgelöst und ein ahistorisches Pluviale gestaltet, auf dem alle prägnanten Komponenten angebracht wurden. Ein Erklärvideo versucht, die Unterschiede zum Vorzustand zu verdeutlichen.

Tanja Kohwagner-Nikolai