Das blaue Bamberger Rationale

Seit dem 18. Jahrhundert wird auch das blaue Bamberger Rationale (DMB Inv.Nr. 3.1.0002) zu den vier "Reitröcken des heiligen Kaisers Heinrich" und damit zu den Bamberger Kaisergewändern gezählt.

Während des Mittelalters und der frühen Neuzeit ist die Verbindung des Textils zu Heinrich (973-1024, reg. 1014-1024) und Kunigunde (gest. 1033) nicht schriftlich fixiert, doch gibt es Hinweise, dass es als Stiftung des Kaiserpaares für den ersten Bamberger Bischof Eberhard I. (1007-1040) anzusehen ist. Ein Erklärvideo zeigt die Besonderheiten dieses weltweit ältesten erhaltenen Rationale.

Die Vorderseite greift das Hohelied auf und zeigt Christus als Frieden bringenden König, als den neuen Salomo. Drei Wege führen zu ihm: der Märtyrertod, die Nächstenliebe und das bekennende Zeugnis. Die Säulen, die die Architektur des salomonischen Prachtbetts tragen, werden von den Apostelfürsten Petrus und Paulus gestützt.

Die Schultermedaillons, die sowohl die zwölf Stämme Judas als auch vier bischöfliche Tugenden zeigen, verbinden die Vorderseite mit dem Rückenteil. Dort thematisiert die Darstellung des apokalyptischen Lamms die Endzeitvorstellung nach der Offenbarung des Johannes.

Diese Kombination ist die bildliche Umsetzung von zwei Buchstiftungen Heinrichs II. an den Bamberger Dom: der Bamberger Apokalypse (SBB Msc.Bibl.140) sowie dem Kommentar zum Hohelied (SBB Msc.Bibl.22).

Da dem Bamberger Bischof bereits 1053 von Papst Leo IX. (1040-1954) das ranghöhere Pallium verliehen worden war, wurde das Rationale in Bamberg auch vom diensttuenden Priester getragen. Diese Nutzung machte zahlreiche Reparaturen notwendig.

Im Spätmittelalter übertrug der Bamberger Sticker Andreas Spiß die Goldstickereien auf ein neues Gewand aus italienischem Seidendamast. Die liturgische Nutzung des Bamberger Rationale ist bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts belegt. Auch in seinem Futter von 1722 zeigen sich Gebrauchsspuren.

Tanja Kohwagner-Nikolai