Der blaue Kunigundenmantel. Im Auftrag des Kaisers? Die Ursprungskonzeption

Die Szene am Ende des Petruszyklus, in der Nero von den Wölfen zerrissen wird, ist eine sehr selten dargestellte Episode der Petruslegende. Sie verbildlicht die mittelalterliche Vorstellung, dass Kaiser Nero, weil er die Hinrichtung des Apostels Petrus befohlen hatte, eine göttliche Strafe erhielt. Dem Wahnsinn verfallen soll sich Nero im Wald verirrt haben und gestorben sein. Um seine leibliche Auferstehung und damit seine Erlösung am Ende der Zeiten zu verhindern, hätten die Wölfe seine Leiche gefressen.

Diese Szene dürfte in der Angst vor dem Kommen des Antichrists um das Jahr 1000 begründet sein bzw. diese als unmöglich charakterisieren. Im Volk hielt sich lange der Glaube, dass Nero als Antichrist wiederkehren würde. Dem hält das Bild entgegen, dass es ohne Leiche keine Rückkehr Neros gibt. Da auch der befürchtete Weltuntergang im Jahr 1000 nicht eingetreten war, zeigt die Szene den Sieg der Kirche und das Ende ihrer Widersacher.

Das Programm des blauen Kunigundenmantels greift die Verheißung des Heilands, die Hoffnung auf seine Wiederkunft und die Erlösung aller Gläubigen am Ende der Zeiten auf. Deshalb und aufgrund seiner Ornamentik, die Parallelen in anderen Stiftungen des Kaiserpaares hat, passt er in die Heinrichszeit und darf als Stiftung Kunigundes (gest. 1033) gelten.

In Auftrag gegeben wurde er in einer erfahrenen Werkstatt. Dies belegt zum einen die Feinheit und technische Perfektion der Goldstickerei. Zum anderen lassen sich die Hände unterschiedlicher Sticker identifizieren, wie die beiden Detailabbildungen von Gesichtern zum Beispiel verdeutlichen.

Der eine Sticker legte die Konturen mit drei bis vier parallel geführten Goldfäden, variierte innerhalb der Flächen die Anlegerichtung der Goldfäden und verwendete zur Nuancierung verschiedenfarbige Seidenfäden. Ein anderer setzte für die Binnenzeichnung ausschließlich linear verdichtete Überfangstiche aus roter Seide über der nur mit parallelen Goldfäden gearbeiteten Fläche ein.

Insgesamt haben wohl vier bis fünf Sticker am blauen Kunigundenmantel gearbeitet. Der Topos der edlen Frau, Kaiserin Kunigunde, die das Gewand eigenhändig stickte, ist damit widerlegt.

Die Umschriften des blauen Kunigundenmantels greifen Kirchengesänge der Entstehungszeit auf. 13 Gesänge wurden entsprechend der Aufführungspraxis des 11. Jahrhunderts erstmals eingesungen. So wird ein Gewand, das goldgestickter liturgischer Gesang ist, zum Klingen gebracht.

Tanja Kohwagner-Nikolai