Die Bamberger Tunika. Zwischen Reliquienkult und Reparatur: das Spätmittelalter

In den Bamberger Domkustoreirechnungen sind ab 1392 zahlreiche Reparaturen für Tuniken erwähnt, die in Bezug zu Heinrich II. oder seiner Gemahlin Kunigunde gestellt werden. Der Großteil betrifft einen sogenannten Kunigundenrock.

Im Vergleich mit den schriftlichen Quellen belegt das spätmittelalterliche Trägergewand, dass die gestickten Besätze spätestens seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert auf einem weiten Gewand angebracht waren, das als Kunigundenreliquie verehrt wurde. Schwangere Frauen konnten es berühren und anlegen, um so Beistand für eine gute Geburt zu erbitten. Diese Nutzung dürfte der Grund für die häufigen Reparaturen gewesen sein.

Das spätmittelalterliche Trägergewand besteht aus einem Grundgewand aus Leinen, auf das verschiedene weiße Seidengewebe als Oberstoffe aufgebracht wurden. Erhalten haben sich nach den Eingriffen des 19. Jahrhunderts am Gewand nur mehr Seidengewebe des 18. Jahrhunderts. Die fünf älteren Seidenstoffe, die zweifelsfrei mit der Bamberger Tunika in Verbindung gebracht werden können, lassen sich am Trägergewand nicht mehr nachweisen. Deutlich ist aber zu sehen, wo die gestickten Besätze montiert waren: umlaufend am Saum, um den Halsausschnitt und an den Ärmeln, dort ergänzt durch einen gelben Seidenatlas mit großer floraler Musterung.

Die Detailaufnahme eines goldgestickten Besatzes belegt weitere Eingriffe. So wurde die originale Goldstickerei an Fehlstellen durch ein Seidengewebe ersetzt. Vor allem aber gehen die weißen Leinenschnüre auf eine spätmittelalterliche Reparatur zurück.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren die Perlen der ursprünglich sehr feinen Perlstickerei bereits wiederholt neu festgenäht worden, ein Teil bereits verloren. Daher fügte der Bamberger Sticker Andreas Spiß Schnüre als Unterlage für die Perlen ein, um den Verlust auszugleichen. Es wird explizit erwähnt, dass er alle Perlen abtrennte und wieder aufnähte – vermutlich etwa 40.000 Stück.

Tanja Kohwagner-Nikolai