Das blaue Bamberger Rationale. Im Auftrag des Kaisers? Die Ursprungskonzeption

Das blaue Bamberger Rationale ist als Stiftung des Kaiserpaares für den ersten Bamberger Bischof Eberhard I. (1007-1040) anzusehen. Ein päpstliches Privileg, wie es später für Rationale üblich wird, ist hier nicht nachzuweisen. Auch der direkte Bezug zum Kaiserpaar ist nur über Vergleiche und Indizien möglich.

Innerhalb des stark beschädigten Materialbestandes lassen sich jedoch wertvolle Hinweise auf den Herstellungsprozess finden. Im Bereich der vorderen Mitte, vor allem unter der Figur Christi, die auf dem salomonischen Prachtbett thront, hat sich ein stützendes Leinengewebe erhalten.

Dies erklärt sich aus dem Arbeitsprozess des 11. Jahrhunderts: das gesamte Trägergewebe des Rationale war – wie für Stickereien üblich – in einen Rahmen gespannt und wurde zunächst bis knapp an die Kante gestickt. Dabei wurde auf eine sehr feine Binnenzeichnung geachtet, wie sie sich noch im Markuslöwen erhalten hat.

Dann wurde die Arbeit aus dem Stickrahmen genommen, das Gewand annähernd halbrund zugeschnitten und in der vorderen Mitte zur Glockenkasel geschlossen. Der Bereich innerhalb des Stickereifeldes parallel zu dieser Naht musste anschließend ohne Rahmen überstickt werden. Damit die Stickerei durch die Bewegung der Naht beim Tragen des Gewandes nicht geschädigt würde, legte man unter die Naht das Leinengewebe zur Stabilisierung und führte dann die Goldstickerei darüber zu Ende. Die fehlende Stabilisierung des übrigen Rationale wäre für einen reinen Schulterschmuck undenkbar.

Dadurch ist belegt, dass das Bamberger Rationale entgegen der späteren Tradition, Rationale als reinen Schulterschmuck zu fertigen, von Beginn an auf einem Messgewand aus tiefblauer Seide angebracht war.

Tanja Kohwagner-Nikolai