„Volkskunst“ forschend sammeln: der Teilnachlass Gislind M. Ritz
1996 erhielt das Museum Oberschönenfeld rund 350 Objekte aus dem Nachlass von Gislind M. Ritz (1925–1996) aus München. Dort hatte sie ihr Studium 1955 mit der Dissertation "Die christliche Gebetsschnur, ihre Geschichte, ihre Erscheinung, ihre Funktion" beendet. Nach Volontariat und Museumsprojekten forschte sie von 1964 bis 1989 am Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Wie zahlreiche Publikationen belegen, galt ihr spezielles Interesse Dekor, Materialität und Funktion von bemalten und geschnitzten ländlichen Möbeln, Hinterglasmalereien, Klosterarbeiten, Trachten und Schmuck. Diese untersuchte sie als kulturlandschaftlich geformte Aneignungen bürgerlicher Moden durch überwiegend ländliche Sozialgruppen und befragte sie auf "Eigengesetzlichkeit in der Volkskunst". Maßgebliches Vorbild war ihr Vater: Josef M. Ritz (1892–1960) wirkte viele Jahre als Museumsreferent, zuletzt als Direktor, beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Außerdem leitete er seit 1926 die spätere Bayerische Landesstelle für Volkskunde und war 1929 Gründungsmitglied der Volkskunst-kommission. Auf ihn gehen Teile des Nachlasses zurück, der rund 160 Objekte zur Frömmigkeit – einfachere Klosterarbeiten, kleine Andachtsbilder, Reliquienkapseln, Rosenkränze – sowie rund 80 Kästchen, Dosen, Spanschachteln und Etuis umfasst.
Dazu zählen 40 Behälter mit Dekor aus Strohintarsien, auch Strohmarketerien, Strohmosaik oder Stroharbeiten genannt, die Josef M. Ritz wohl sammelnd erforschen wollte. In vielen Ländern Europas hergestellt, lassen sich überlieferte Arbeiten nur gelegentlich Entstehungskontexten zuweisen. Für Bayern sind, nach einem 1663 datierten Antependium in Tuntenhausen (Lkr. Rosenheim), derzeit mehrere Produktionszentren belegbar, darunter bereits ab etwa 1700 die Berchtesgadener Hausindustrie und um 1800 das Umfeld der Strohhutfabrikation in Lindenberg/Allgäu (Lkr. Lindau). In Ansbach gründete 1845 Friedrich Ebert (1794–1859) mit Carl Ludwig Weppler (1802–1867, ab 1851 wieder Heilbronn) eine Strohmosaik-Fabrik, die bis 1939/40 bestand. In den 1850er-Jahren mussten Insassen der Gefängnisse bzw. Strafarbeitshäuser in Lichtenau bei Ansbach, Kaisheim (Lkr. Donau-Ries), St. Georgen bei Bayreuth und in Kloster Ebrach (Lkr. Bamberg) solche Arbeiten fertigen, während eine Strohmosaik-Schule im damals bayerischen Hilders (Lkr. Fulda) ab etwa 1852 zur Linderung der Armut in der Rhön beitragen sollte.
>> Diese Sammlung ist ein Bestand des Museum Oberschönenfeld.