Kaiser- und Königsurkunden vor Ludwig dem Bayern

Das bedeutsamste juristische Instrument des Mittelalters war die Urkunde. In den überwiegend mündlich kommunizierenden Gesellschaften des Früh- und Hochmittelalters gab es nur wenige Anlässe für ihre Ausfertigung. Die ältesten Stücke wurden in den zumeist kirchlichen Schatzkammern überliefert, die sie auch archivieren konnten. Um sie vor Fälschungen zu schützen, nutzten die ausstellenden Kanzleien eine Vielzahl graphischer Symbole. Diese verkomplizierten sich bis in das 12. Jahrhundert, ehe das Bedürfnis nach mehr Schriftlichkeit Urkunden zu alltäglichen und deshalb einfachen Medien des Rechts machte.

Durch den beispielhaften Vergleich je einer karolingischen (Ludwig der Fromme von 815), salischen (Konrad II. von 1033) und staufischen (Konradin von 1266) Urkunde wird die Entwicklung des äußeren Stils nachvollzogen. Erkennbar ist die feierliche und Autorität heischende Funktion der älteren zwei Diplome, die in ihrer Größe und den gebrauchten Symbolen sichtbar wird. Markant sind die Oberlängen und im Falle Konrads II. (geb. um 990, reg. 1024-1039) auch Unterlängen der Buchstaben, die den Raum zwischen den Zeilen füllen und diese optisch miteinander verbinden. Charakteristisch für die frühen Urkunden ist die "littera elongata" (Gitterschrift) in der ersten Zeile, der Signumzeile (Unterschrift des Herrschers) und der Rekognitionszeile (Unterschrift des Kanzlers), die das einführende Protokoll und abschließende Eschatokoll vom Kontext absetzt.

In die sakrale Sphäre wurde das Rechtsgeschäft durch das Chrismon gerückt. Diese symbolische Anrufung Christi steht in Form eines großen "C" am Beginn der ersten Zeile. Bei Ludwig dem Frommen (geb. 778, reg. 814-840) ist es sogar über drei Zeilen gestreckt. Rechtskraft erhielten die Diplome durch das Siegel des Herrschers und sein Monogramm (= Signum). Derartige Formen der Feierlichkeit oder zusätzlichen Autorität fehlen bei der Urkunde Konradins (1252-1268). Die Siegel allein genügten der Autorisierung des Rechtsaktes.

Johannes Kroh