Deutsch statt Latein – Frühe Beispiele volkssprachlicher Urkunden

Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts war Latein die vorherrschende Sprache der Kanzleien. In dieser Zeit wurden jedoch auch zunehmend Urkunden auf (Mittelhoch-) Deutsch verfasst. Ausschlaggebend für diese Veränderung war, dass immer mehr Rechtsgeschäfte beurkundet wurden und Vertragsparteien immer häufiger (kirchenrechtliche) Laien ohne Lateinkenntnisse waren. König Konrad IV. (geb. 1228, reg. 1237-1254) war 1240 einer der Ersten, die diesem Umstand Rechnung trugen. Die damaligen Vertragsparteien waren wohl beide der lateinischen Sprache nicht mächtig. Der König schuf Abhilfe und ließ die Urkunde in der Volkssprache verfassen.

Ähnlich verhält es sich bei den Urkunden über den Wertachbrückenzoll: Traditionell oblagen Stadt- und Brückenzoll der Verwaltungshoheit des Bischofs. Im Jahr 1282 aber erhielten Vertreter des Stadtbürgertums Augsburgs Mitspracherechte bei der Festlegung neuer Zolltarife, sodass nun zwei widerstreitende Interessengruppen aufeinandertrafen – der Bischof, der als Empfänger der Zolleinnahmen naturgemäß möglichst hohe Zölle erheben wollte, und die Vertreter der Reichsstadt, die an einem florierenden Handelsverkehr interessiert waren und diesen mit möglichst niedrigen Zöllen stärken wollten.

Auf sprachlicher Ebene setzten sich die Bürger der Reichsstadt auch für ihre Interessen gegenüber der Kirche ein. Schließlich spielten die Zolltarife eine zentrale Rolle in den Tagesgeschäften der Augsburger Kaufleute, da es nur von Vorteil war, wenn sie die entsprechenden Bestimmungen auch selbst lesen konnten. So wurde der Vertrag dann auf Deutsch statt auf Latein verfasst. Beachtlich, wenn bedacht wird, dass sich Latein in kirchlichen Urkunden zum Teil bis heute erhalten hat. Rein optisch lässt sich die größere Bedeutung des Vertrags für die Reichsstadt am extrem guten Erhaltungszustand der Urkunde und auch an der, im Vergleich zu den anderen Ausfertigungen, aufwendigeren Besiegelung nachweisen.

Julia Kessler