KulturErben. Marktredwitzer Krippenkultur

Zur Marktredwitzer Krippenkultur im oberfränkischen Fichtelgebirge gehören alljährlich das Aufbauen von großflächigen Landschaftskrippen durch die "Kripperer" und das "Krippenschauen" durch Nachbarn, Bekannte und Gäste. Typisch für die "Rawetzer Landschaftskrippe" ist ihre Gestaltung als Heimatkrippe, allerdings nicht mit lokalen, sondern mit alpenländischen Motiven. Eine Besonderheit sind kleine Tonfiguren, mit denen Alltagsszenen – in der regionalen Mundart "Stickla" (Stückchen) genannt – nachgestellt werden.

Die Entwicklung der Krippenbaukunst im vorwiegend protestantisch geprägten Marktredwitz steht in Zusammenhang mit dem Niedergang des örtlichen Hafnerhandwerks um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die aufkommende Porzellanindustrie (u.a. Rosenthal, Hutschenreuther, Thomas, Arzberg) wurde für die Töpferfamilien eine starke Konkurrenz. Auf der Suche nach neuen Erwerbsquellen begannen sie, Krippenfiguren aus Ton herzustellen, zum Beispiel die als "Dammhafner" bekannte Familie Meyer. In filigraner Kleinstarbeit entstanden neben biblischen Motiven auch weltliche Figuren und Tiere. Sie sind bunt und detailliert bemalt und werden auch über die Weihnachtszeit hinaus verwendet.

Die Miniaturwelten fanden in Marktredwitz starken Anklang. Aus Naturmaterialien schufen die Krippenbauer als Kulissen für die Tonfiguren Gebirgslandschaften. Dieses Sujet greift die Alpensehnsucht des 19. Jahrhunderts auf, die durch Literatur, Malerei und Musik auch im Fichtelgebirge Einzug hielt. Seine Blütezeit erlebte das Marktredwitzer Krippenwesen von etwa 1895 bis 1930. Damals existierten im Ort und in den umliegenden Dörfern etwa 100 größere Krippen, die sich die Kripperer gegenseitig zeigten, die aber auch von ihren Familien und Nachbarn bewundert wurden. In der Zeit des Nationalsozialismus ist das öffentliche Krippenschauen nicht belegt, die Tradition lebte aber laut Zeitzeugenberichten im privaten Bereich weiter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg drohte das Krippenschauen allmählich zum Erliegen zu kommen, bis es 1989 mit der Errichtung des Marktredwitzer Krippenwegs durch die Stadtverwaltung eine Belebung erfuhr. In diesem Rahmen öffnen vom zweiten Weihnachtsfeiertag an bis zum 6. Januar zahlreiche Kripperer ihre Häuser und Wohnungen für Besucherinnen und Besucher. Zudem engagiert sich das Egerland-Museum in Marktredwitz für die Erhaltung der Tradition und dokumentiert die Krippenherstellung von den Tonfiguren bis zur fertigen Krippe. Seit 2021 können in einer virtuellen Krippe mittels 3D-Brille und Steuerungsgerät digitalisierte Krippenfiguren arrangiert werden.

Zur Ausstellungseinheit: KulturErben bewältigen Krisen

Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".