KulturErben. Wässerwiesen in Franken

Die Wässerwiesen in Franken sind das Ergebnis eines traditionellen Bewässerungssystems im niederschlagsarmen mittelfränkischen Becken. Dabei wird Wasser aus den Flusssystemen von Rednitz, Pegnitz und Wiesent über ein weit verzweigtes Netz von Gräben und Wehren, teils unterstützt von Schöpfrädern, temporär auf die anliegenden Wiesen geleitet. Die genossenschaftliche Praktik sorgt bis heute im Großraum Schwabach-Nürnberg-Erlangen-Forchheim dafür, dass die sandigen, nährstoffarmen sowie eher trockenen Böden ausreichend mit Wasser versorgt werden und die Erträge bei Gras, Heu und Grummet steigen. Die Wässergemeinschaften (Landwirte und ehrenamtliche Helfer, die "Wässerer") kümmern sich um die Pflege von Gräben und Wehren und wässern ihre Flächen nach Bedarf mehrmals im Jahr. Zum Wässern gehört ein spezifisches Wissen über den richtigen Zeitpunkt und die lokalen Gegebenheiten, um die Stauwehre ("Schützen") passend zu heben oder zu senken. Das Wasser fließt dann über die Grabenschultern, rieselt über die Wiesen, versickert dort oder fließt zurück ins Gewässer (Rieselverfahren).

Erste schriftliche Nachweise über diese Bewässerungstechnik liefern Wässerordnungen und -briefe aus dem 15. Jahrhundert. Weil die Bewässerung der Wiesen nur gemeinschaftlich erfolgen kann, entstanden Wässergenossenschaften, deren Mitglieder sich beispielsweise an den im "Reichelsdorfer Wässerbrief" (1520) oder in der "Bayersdorfer Wasser-Gerichts-Ordnung" (1693) festgeschriebenen Rechten und Pflichten orientierten. Seit dem Spätmittelalter wurden auch Schöpfräder genutzt, die vom fließenden Wasser angetrieben wurden. Am Rad befestigte Kübel hoben das Oberwasser aus den Flüssen in angrenzende Gräben. Mit dem bayerischen Wassergesetz von 1852 und der damit verbundenen Förderung erlebte die traditionelle Bewässerung eine letzte Blütezeit. Als im 20. Jahrhundert die Erträge auch durch Düngung und künstliche Beregnung gesteigert werden konnten, geriet die Kulturtechnik der Wiesenbewässerung in den Hintergrund.

Die Wässerwiesen umfassen heute eine Fläche von rund 800 ha. Sie weisen eine hohe Biodiversität auf und bieten reichen Lebensraum für Fauna und Flora. Zudem wirken sie kühlend auf das Stadtklima und bieten stadtnahe Erholungsflächen. Dabei kommt es allerdings auch zu Nutzungskonflikten zwischen Landwirtschaft, Freizeitaktivitäten und Naturschutz sowie im Zuge von Siedlungserweiterungen. Die Wässerwiesen bekommen aktuell eine neue Bedeutung als Vorbild für die Anpassung an Klimaveränderungen.

Zur Ausstellungseinheit: KulturErben gestalten nachhaltig

Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".