Identität und Tradition?

Bayerisches Nationalfest

Bayern, das Königreich von "Napoleons Gnaden" war ein junger Staat, gebildet aus vielen einst selbstständigen Territorien. Für die Königsfamilie der Wittelsbacher war es deshalb umso wichtiger, sich einen "Staat" zu machen – aus Altbaiern, Pfälzern, Franken, Schwaben sollte ein einziges bayerisches Volk werden.

Hatte man anfangs unter dem leitenden Minister Maximilian de Montgelas (1759-1838) auf eine gleichmachende, aufgeklärte Herrschaft nach Vorbild Frankreichs gesetzt, die bewusst mit Traditionen brechen sollte, ging insbesondere der zweite bayerische König, Ludwig I. (1786-1868) einen anderen Weg. Nicht Aufgeklärtheit, sondern Geschichte und Tradition sollten die Grundlage der neuen bayerischen Identität sein. Die Kreise (Regierungsbezirke) erhielten historische Namen und wurden im Staatswappen berücksichtigt, mit Denkmälern, Münzprägungen und Festen wurde an eine ruhmreiche Geschichte erinnert.

Bis zum Ersten Weltkrieg sahen die bayerischen Herrscher (mit Ausnahme des menschenscheuen Ludwig II.) im Oktoberfest einen idealen, alljährlich wiederkehrenden Termin, um sich ihren Untertanen zu präsentieren und symbolisch die Einheit von Volk und Herrscherfamilie zu zelebrieren. Im Zentrum des Festivals stand deswegen bis zum Ende der Monarchie stets das große Herrscherzelt, für das anfangs nicht zufällig ein von Kurfürst Max Emanuel (1662-1726) von den Osmanen erbeutetes Zelt verwendet wurde. Huldigungen, Umzüge, Präsentationen oder Pferderennen, alles fand hier seinen Anfang und Abschluss.

Friedrich Röhrer-Ertl

Wiesn-Traditionen?

Tradition und Brauchtum werden während des Münchner Oktoberfests auf vielfältige Weise lebendig. Im Rahmen der über zwei Wochen andauernden Feierlichkeiten gibt es Rituale, deren Wurzeln teils ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Manche von ihnen sind aber noch gar nicht so alt, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, da sie sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelten. Wie schafft es das weltbekannte Volksfest, seinen Charakter als identitätsstiftendes bayerisches Nationalfest bis heute zu bewahren und was sind die Hintergründe der bekannten und manchmal auch vermeintlichen Wiesn-Traditionen?

Julia Misamer, Stefan Schnupp

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