Festzug 1835

Als "Bildberichterstatter der Biedermeierzeit" (Eugen Roth 1942) zeichnete und lithographierte Gustav Kraus (1804-1852) seit 1824 für verschiedene Verleger alles, was die Mittelschicht Münchens interessierte: Porträts, Veduten und Ereignisse. Eine Besonderheit war dabei die Sorgfalt, mit der er auch kleinste Details wiedergab.

1835 sollte anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Hochzeit Ludwig I. (1786-1868) das Oktoberfest mit einem großen Festzug gekrönt werden. Angeregt von Umzügen in Augsburg (1829) und Nürnberg (1833) zogen am 4. Oktober 1835 mehr als zwei Stunden lang um die 80 geschmückten Festwagen und knapp 1.000 Reiter über die Theresienwiese. Angeführt von einer Bavaria stellten sie die bayerischen Regionen, Traditionen, Jahreszeiten und Erzeugnisse dar, die gemeinsam dem König huldigten, wobei aus Kostengründen alle Wagen und Teilnehmer von Gemeinden aus Oberbayern gestellt wurden. Genauigkeit, etwa bei den Trachten, wurde nicht angestrebt.

Im Auftrag des Verlegers Johann Christian Hochwind (1792-1854) hatte Kraus den Festzug vor Ort skizziert. Eine Lithographie, die den Vorbeizug zweier Wagen vor dem Herrscherzelt zeigt, erschien bereits in der darauffolgenden Woche; aufgrund ihres großen Erfolges sollten auf 24 Blättern Darstellungen des gesamten Zuges folgen. Trotz intensiver Werbung zog sich das Unternehmen mangels Interesse bis weit in das nächste Jahr hinein; heute ist der Zyklus eine Rarität. Er gilt als der Höhepunkt im Schaffen von Gustav Kraus.

Friedrich Röhrer-Ertl