„Caruso am Oktoberfest“
Der gebürtige Oberpfälzer Hans Blädel (1871 – 1937) präsentiert in dieser Beka-Aufnahme eine originelle humoristische Szene. Das Hörspiel lässt den Zuhörer an einem amüsanten Dialog von zwei Festbesuchern teilhaben. Beide unterhalten sich darüber, dass ein gewisser "Caruso" auf der Theresienwiese gesichtet wurde. Lange Zeit wird aus dem Gespräch nicht klar, welcher "Caruso" tatsächlich gemeint ist. Während der eine Besucher den weltbekannten Opernsänger Enrico Caruso (1873-1921) meint, bezieht sich sein Gesprächspartner auf ein Rennpferd gleichen Namens.
Hans Blädel gehörte zur sogenannten Münchener Volkssängerszene. Diese entwickelte sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eine Art Kleinkunstszene in den damaligen Münchener Vorstädten und setzte sich unter anderem aus Imitatoren, Alleinunterhaltern und Humoristen zusammen. Gefeierte Mitglieder waren Charakterdarsteller wie etwa das Valentin-Karlstadt Duett (Karl Valentin 1882-1948, Liesl Wellano 1892-1960) oder der Kreis um Jakob "Papa" Geis (1840-1906) mit Anderl Welsch (1842-1906), August Junker (1871-1946) und Alois Hönle (1871-1943). Als wichtige Bühnen der Szene sind unter zahlreichen anderen das Apollo-Theater an der Dachauer Straße, das Café Perzel am Marienplatz sowie das Kollosseum in der Isarvorstadt zu nennen.
Hans Blädel erreichte große Popularität, die sich nicht zuletzt in seinen über 800 Veröffentlichungen auf Schellackplatten widerspiegeln, die er oft zusammen mit seinem Bühnenpartner Robert Lang (1873-1935) aufnahm. Er war zunächst von Anderl Welsch für das Apollo-Theater engagiert worden und leitete die Singspielhalle zeitweise.
Die Aufnahme ist datiert ins Jahr 1914 und beginnt mit dem heute noch in Bierzelten ausgiebig rezipierten "Prosit der Gemütlichkeit", in Kombination mit dem den Bierkonsum steigernden "Oans, zwoa, drei, g‘suffa!". Der Schöpfer dieses Trinkgesanges scheint der in Bremen geborene Georg Kunoth (1863-1927) zu sein, der den heute weitbekannten Text in op. 34 wiedergibt: "Mit Sing und Sang, mit Kling und Klang! Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit! Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit! Prosit!". Die Popularisierung dieses Kehrreims von Kunoth ist unter anderem durch das Regensburger Burschenliederbuch (1. Auflage 1906) belegt und taucht um 1910 in Blasmusikpotpourris auf, bevor sich die isolierte heute bekannte Wiedergabe durchsetzte. Die vorliegende Schellackplatte dient also unter anderem als Beleg für die sehr frühe Nutzung des "Gemütlichkeitsrufes", der bis heute zu unzähligen Gelegenheiten in verschiedenen Textvarianten auf die immer gleiche, eingängige Melodie gesungen wird.
Theresia Schusser