Gründung des Stifts

Über die frühesten Anfänge des Stifts Aschaffenburg liegen keine urkundlichen Originalquellen vor. In der Tradition von St. Peter und Alexander galten über lange Zeit hinweg die sächsische Grafentochter und ostfränkische Königin Liutgard (845-885) sowie der Herzog Otto I. von Bayern und Schwaben (954-982, ab 973 Herzog von Schwaben, ab 976 Herzog von Bayern) als Gründer der Kanonikergemeinschaft. So wird die zusammen mit ihrer Tochter Hildegard (um 879-nach 899) in einem Vorgängerbau der Aschaffenburger Stiftskirche beigesetzte Liutgard in der im frühen 16. Jahrhundert angelegten Regula fraternitatis (fol. 378r) als "Heilige" und "Gründerin dieser Kirche" (Luckardis sancta fundatrix huius ecclesie) bezeichnet. Tatsächlich kann sie jedoch allenfalls als Erbauerin eines der Stiftskirche vorangegangenen Kapellenbaus gelten. Die Überreste dieses Vorgängerbaus stellen die ältesten baulichen Strukturen der heutigen Stiftskirche dar.

In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts ging Aschaffenburg in den Besitz Herzog Ottos über, dessen Grabstätte sich ebenfalls in der Stiftskirche befindet. Der Hinweis, er sei der Gründer des Aschaffenburger Stifts, findet sich erstmals in der schriftlichen Überlieferung des späten 12. Jahrhunderts. Es handelt sich hierbei um eine Seelstiftung aus dem Jahr 1183, die unter anderem die Zahlung von 5 Schilling jährlich für ein Licht am Grabe des Stiftsgründers (super sepulchrum fundatoris ecclesie nostre) festlegt.

Urkunde, 1183 [ohne Tagesangabe]

1183 [ohne Tagesangabe]
  • ohne Angabe

Auch im ältesten Nekrologium des Stifts (fol. 80r) wird Herzog Otto als huius ecclesie fundator bezeichnet. Entgegen der schriftlichen Tradition spricht jedoch vieles dafür, dass die Gründung – zumindest der geistlichen Gemeinschaft an sich – bereits weitaus früher erfolge, da selbst die umfangreichen, von Herzog Otto veranlassten Schenkungen Kaiser Ottos II. (955-983, Kaiser ab 973) an das Kollegiatstift in den Jahren 974 bis 982 zum Unterhalt der Kanoniker allein nicht ausgereicht hätten. Ebenso fehlt der Nachweis einer einmaligen Grundausstattung für das Stift Aschaffenburg, weshalb man davon ausgehen muss, dass diese Dotation in die Zeit vor Herzog Otto zurückreicht. Schließlich spricht gegen ihn als eigentlichen Gründer auch die Tatsache, dass bereits im Jahr seines Herrschaftsantritts 974 das Stift Aschaffenburg urkundlich nachweisbar als feste und etablierte geistliche Institution mit fertiggestellter und geweihter Kirche erscheint.

Während über lange Zeit hinweg von einer Gründung durch Ottos Eltern, Herzog Liudolf von Schwaben (um 930-957, Herzog von Schwaben 950-954) und seine Frau Ida, der Tochter Herzog Hermanns von Schwaben (gest. 949, Herzog ab 926), in der Zeit zwischen 947 und 957 ausgegangen wurde, plädieren jüngere Forschungen für die Einrichtung einer geistlichen Gemeinschaft in Aschaffenburg bereits durch die Königstochter Hildegard, die hier als Äbtissin fungiert haben könnte. Herzog Otto hingegen kann demnach nur insofern als Gründer gelten, als dass er diese bereits bestehende Institution in ein Kollegiatstift umwandelte.