Zeugnisse jüdischen Lebens aus Oettingen

Jüdisches Leben ist seit Ende des 13. Jahrhunderts in Oettingen belegt. Seit 1317 hatten die Oettinger Grafen zeitweise das Judenschutzregal inne. Auch Kaiser Ludwig IV. (röm.-dt. König 1314-1347, Kaiser ab 1328) verpfändete ihnen ab 1331 wiederholt dieses Recht. Von 1522 bis 1731 war Oettingen doppelter Herrschaftssitz einerseits der protestantischen Linie Oettingen-Oettingen, andererseits der katholischen Linie Oettingen-Spielberg. Auch die jüdischen Einwohner waren in "lutherische" und "katholische Juden" aufgeteilt. Es gab zwei Synagogen, das Rabbinat blieb jedoch ungeteilt. Im 17. Jahrhundert wuchs die jüdische Einwohnerschaft stetig. 1680 wurden ein Gemeindezentrum, eine Synagoge und ein Wohnhaus für den Rabbiner gebaut. 1740/41 übernahm die Linie Oettingen-Spielberg die alleinige Herrschaft über die Residenzstadt. Zu dieser Zeit bekleideten wiederholt jüdische Hoffaktoren das Amt des Gemeindevorstehers. Die jüdische Bevölkerung lebte vom Handel mit Agrarerzeugnissen und Vieh, von Pfand- und Leihgeschäften, im 19. Jahrhundert vom Textilwarenhandel. Seit den 1820er-Jahren bestand eine jüdische Schule. Es folgte die Errichtung eines Ritualbades (1830), eines Begräbnisplatzes (1850) und einer neuen Synagoge mit Rabbinerwohnung (1853). Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten zahlreiche jüdische Familien in größere Städte ab. 1925 zählte die jüdische Gemeinde in Oettingen 107 Mitglieder. Zu Beginn der NS-Herrschaft (1933) lebten dort noch 66 jüdische Menschen, die danach zum Teil emigrierten. Während des Novemberpogroms (1938) wurde die Synagoge devastiert, 1941/42 die letzten jüdischen Einwohner deportiert und ermordet. Das Synagogengebäude gelangte später in Privatbesitz und wurde umgebaut. Gestiftet vom Heimatverein Oettingen, wurde 2005 an der 1853 errichteten Synagoge ein künstlerisch gestalteter Gedenkstein angebracht. Auf zwei drehbaren Walzen sind die Namen der jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner zu lesen, die von 1933 bis 1942 in Oettingen lebten. Das ehemalige jüdische Schulhaus ist erhalten.
Die Sammlung präsentiert Zeugnisse jüdischen Lebens in Oettingen: Dokumente, historische und neu erstellte Fotografien einer Auswahl ehemals jüdischer Gebäude, Einrichtungen, Geschäfts- und Wohnhäuser sowie Kult-, Ritual- und Alltagsgegenstände. Zu sehen sind Freskofragmente (Spruchbänder mit hebräischen Inschriften) aus dem erhaltenen Synagogengebäude (erbaut 1852, eingeweiht 1853) sowie heute im Heimatmuseum ausgestellte Exponate wie eine Wetterfahne und Teile aus den Glasfenstern derselben Synagoge. Objekte von besonderem Wert stellen Tora-Schilder, eine Ester-Rolle und ein jüdischer Ehevertrag dar.
Text: Dr. Ingvild Richardsen (Universität Augsburg)
>> Diese Sammlung ist ein Teil der Sammlung "Das jüdische Erbe Bayerisch-Schwabens. Kultur und Alltag des Landjudentums von 1560-1945" unter Beteiligung folgender Partner: