Zeugnisse jüdischen Lebens aus Pfersee (Augsburg)

Pfersee, eine bis 1911 selbstständige Gemeinde, die heute zu Augsburg gehört, war vom 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts Sitz einer jüdischen Gemeinde. Pfersee gehörte 500 Jahre zur habsburgischen Markgrafschaft Burgau, die 1806 an das Königreich Bayern angeschlossen wurde. Das Haus Habsburg setzte die Ansiedelung jüdischer Familien als Mittel der Herrschaftserweiterung ein. Um 1569 zogen die ersten Juden zu – gegen den Willen des Ortsherrn, jedoch mit Unterstützung durch Erzherzog Ferdinand, dem die Markgrafschaft Burgau unterstand. Der Hoffaktor Simon ben Elieser Günzburg (1506-1585) zählt zu den Begründern der jüdischen Gemeinde Pfersee. Bis 1608 sind vier jüdische Familien bezeugt, die aus Günzburg und Ulm stammten, wie die weitverzweigte und einflussreiche Familie Ulmann, aus deren Besitz die Handschrift des "Babylonischen Talmuds" (Bayerische Staatsbibliothek, Cod.hebr. 95) stammt. In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts war Pfersee zum Sitz des Rabbinats für die Markgrafschaft Burgau aufgestiegen. Der königliche und kaiserliche Hoffaktor Schimon ben Jehuda Löb Ulmo (1693-1739) wirkte in dieser Zeit als Rabbiner, Richter und Vorsitzender des jüdischen Bezirks "Medinat Schwaben". Um 1750 bewohnte die jüdische Gemeinde in Pfersee 28 Häuser. Neben der Synagoge besaß sie zwei Bethäuser, ein rituelles Bad (Mikwe) und ein Schulhaus. Verstorbene wurden auf dem Friedhof in Kriegshaber bestattet. Die Eingliederung Augsburgs und der Markgrafschaft Burgau 1806 nach Bayern sowie das Judenedikt von 1813 führten zu vielen Veränderungen in der Gemeindestruktur. Mit Aufhebung des Matrikelparagraphen des Judenedikts 1861 wanderten viele Juden in Städte ab. Die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder, die 1830 noch 137 Personen betrug, sank bis 1888 auf 13 Personen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts löste sich die Gemeinde auf.
Die Sammlung präsentiert ausgewählte Objekte zu jüdischem Leben in Pfersee: Historische und neu erstellte Fotografien, Karten, verschiedenste Dokumente wie Geschäftsbriefe und Rechnungen, eine Postkarte, eine Handschrift und ein Ritualobjekt. Zu sehen sind ehemalige jüdische Wohn-, Geschäftshäuser und Fabrikgebäude, Kostbarkeiten wie das aus Pfersee stammende Tora-Schild oder die Handschrift des Babylonischen Talmuds. Historische Fotografien zeigen die frühere chemische Fabrik R. Bernheim aus Augsburg Pfersee und ihre Besitzer sowie das Fabrikgebäude der ehemaligen Maschinenfabrik Gebr. Weil. Eine Postkarte präsentiert das frühere Kaufhaus von August Schwarz in Pfersee.
Text: Dr. Ingvild Richardsen (Universität Augsburg)
>> Diese Sammlung ist ein Teil der Sammlung "Das jüdische Erbe Bayerisch-Schwabens. Kultur und Alltag des Landjudentums von 1560-1945" unter Beteiligung folgender Partner: