Zweck und mögliche Wirkung

Kolonialismus als Idee und Programm ist genauso heterogen wie koloniale Staats- und Wirtschaftsformen. Allen gemeinsam ist der eurozentrische Blickwinkel, der eigene Vorstellungen von Zivilisation auf andere Gesellschaften abbildete und die vermeintliche Andersartigkeit für eigene Interessen instrumentalisierte. So wurden für die Rechtfertigung des Kolonialismus die angebliche Höherwertigkeit und Überlegenheit der europäischen Kultur herangezogen. Außereuropäische Kulturen wurden als minderwertig und zurückgeblieben diffamiert, was ihre Beherrschung und Unterdrückung als zivilisatorischen Auftrag erschienen ließ.

Papiergeld war zunächst in erster Funktion ein Zahlungsmittel, also ein Alltagsgegenstand. Es entstand unmittelbar im kolonialen Kontext und wurde durch die Kolonialmacht kontrolliert. Von dieser wurden sämtliche Entscheidungen, sei es über Währung oder Design der Banknoten, getroffen. Die Herkunftsgesellschaften waren in diesen Prozess nicht eingebunden. Papiergeld aus kolonialem Kontext ist also immer durch die eurozentrische Perspektive geprägt.

Neben der Funktion als Zahlungsmittel wies Papiergeld durch die Gestaltung und Motivwahl die Eigenschaft vor, koloniales Denken widerzuspiegeln. Dies schlug sich sehr unterschiedlich nieder und wandelte sich auch innerhalb einer Kolonie im Laufe der Zeit. Das hier ausgewählte Beispiel aus der Kolonie Französisch-Somaliland zeigt eine allegorische Frauenfigur mit Wappen und Olivenzweig sowie Symbole der Landwirtschaft. Im Hintergrund sind Segelschiffe zu sehen. Hier wird also die Beherrschung und wirtschaftliche Bedeutung der Kolonie betont.

Auch das zweite Beispiel der Kolonie Niederländisch-Indien zeigt eine allegorische Darstellung mit Hermes, dem Gott des Handels. Das Stilmittel der Allegorie wurde im 19. Jahrhundert häufig zur Verbreitung von Botschaften auf europäischen Banknoten verwendet. Die gewählte Bildsprache lässt also vermuten, dass Papiergeld aus kolonialem Kontext vorrangig von europäischen Beamten, Kaufleuten und Siedlern genutzt wurde. Inwieweit das tatsächlich der Fall war und ob auch die Herkunftsgesellschaft koloniales Papiergeld genutzt hat, lässt sich aufgrund der Quellenlage bzw. des Forschungsstandes nicht rekonstruieren.

Über Adressierte und Wirkung der kolonialen Ideologie auf Geldscheinen kann also nur spekuliert werden. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass Papiergeld für die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des Kolonialismus eine wichtige historische Quelle ist.

Kolonie Französisch-Somaliland


Kolonie Niederländisch-Indien