Die Öffnung der Lauinger Fürstengruft

Die Gruft der Stadtpfarrkirche St. Martin in Lauingen wurde im 16. Jahrhundert zur Grablege der protestantischen Angehörigen des Hauses Pfalz-Neuburg. Zwischen 1781 und 1863 erfolgte mindestens drei Mal die Öffnung der Särge. Dabei wurden Teile des Inhalts entnommen. Auch in der Graßegger-Sammlung finden sich daraus Objekte. Das größte textile Fragment ist der äußere Teil eines langen Samtärmels mit Metallbortenbesatz vom prächtigen Grabgewand der Pfalzgräfin Dorothea Sabina (1576-1598). Von Pfalzgraf Philipp Ludwig (1547-1614, reg. ab 1569) stammt nicht nur die Haube, sondern auch ein Kuvert, das "Herzog Philipp Ludwigs Haare von seinem Todtenschedl entnohmen" enthält. Wie diese in den Besitz Joseph Benedikt Graßeggers (1776-1849) gelangten, ist nicht rekonstruierbar.

Vom 24. September bis zum 6. Oktober 1781 wurde unter Aufsicht einer Kommission aus Münchner Hofbeamten die Grablege in der Lauinger St. Martins-Kirche geöffnet. Dabei wurden die den Toten mit ins Grab gegebenen Schmuckstücke geborgen und nach München gebracht. Entnommen wurde der Lauinger Fürstengruft 1781 auch ein schlichtes Holzkreuz, das in den Besitz von Joseph Benedikt Graßegger gelangte. Im Katalog seiner Sammlung von 1894 ist es als "Einfaches schwarzes Holzkreuzchen mit Schrift" verzeichnet. Bei der "Schrift" handelt es sich um zwei Textfragmente aus dem achten Kapitel des Hohelieds des Salomo, die sich auf den Längsbalken des Kreuzes befinden. Seine äußere Schlichtheit und der Bezug auf das Alte Testament machen dieses Kreuz zu einem eindrucksvollen Beleg für die private Frömmigkeit seines Besitzers.

Die Objekte waren nach der ersten Sargöffnung wahrscheinlich auf Befehl des Kurfürsten Karl Theodor (1724-1799, reg. ab 1742) der Kunstkammer in München zugeteilt worden. Heute befinden sie sich in den Sammlungen des Bayerischen Nationalmuseums. Graßegger gelangte vermutlich 1805 in den Besitz seiner Lauinger Stücke.