Jüdisches Leben auf dem Land. Geschichte und Kultur der jüdischen Gemeinde in Ichenhausen (1541-1948)
Die ehemalige jüdische Gemeinde von Ichenhausen ist ein typisches Beispiel für die reiche jüdische Sonderkultur, die mehrere Jahrhunderte im schwäbischen ländlichen Raum bestand. Der Ort gehörte ab dem 14. Jahrhundert zur Markgrafschaft Burgau, die bis 1805 Vorderösterreich unterstand und 1806 an Bayern angeschlossen wurde. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts siedelten sich die ersten Jüdinnen und Juden in Ichenhausen an. Aus Reichsstädten und größeren Territorien vertrieben, fanden sie hier gegen Zahlung von Steuern und Sonderabgaben Zuflucht und begründeten eine der größten jüdischen Gemeinden Süddeutschlands (um 1870 war sie die größte Landjudengemeinde in Bayern). Nach 1813 wurde das Rabbinat Ichenhausen zum Bezirksrabbinat erhoben und blieb dies bis zum Ende des Königreichs Bayern (1918), danach war es bis 1933 Distriktsrabbinat.
Als Heimat zahlreicher jüdischer Produktionsbetriebe sowie Groß- und Einzelhandelsgeschäfte im Textilgewerbe entwickelte sich Ichenhausen zu einem bedeutenden regionalen Wirtschaftszentrum. Die über fast 400 Jahre andauernde, gemeinsame kommunale Entwicklung von Juden und Christen, die sich zunächst unter vorderösterreichischer (1541-1805), später unter bayerischer (1806-1942) Verwaltung vollzog, ist ein bemerkenswertes Kapitel interkultureller Orts- und Regionalgeschichte und zeugt von der Toleranz sowie dem geistigen und wirtschaftlichen Pluralismus im noch wenig erforschten Landjudentum.
Inhalt der Ausstellung bilden Geschichte und Kultur der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Ichenhausen (1541-1942). Exemplarisch wird an die lange Zeit des Zusammenlebens von Christen und Juden auf dem Land erinnert, das 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endete.
Ein Teilbereich wirft Schlaglichter auf die geschichtliche Entwicklung jüdischen Lebens in Ichenhausen – von der Zeit als Markgrafschaft Burgau (1541-1805) über die Eingliederung ins Königreich Bayern bis hin zur Weimarer Republik (1806-1933) und NS-Herrschaft (1933-1942). In einem weiteren Teil werden die ehemalige Synagoge, vormals jüdische Gebäude und Einrichtungen sowie eine Auswahl früherer jüdischer Wohn- und Geschäftshäuser in Ichenhausen vorgestellt. Zu sehen sind außerdem Kult-, Ritual- und Alltagsgegenstände sowie einige Exemplare der bedeutenden Tora-Wimpelsammlung, die in den 1990er-Jahren auf dem Dachboden der ehemaligen Synagoge Ichenhausen geborgen werden konnte.