Frühere Gebäude und Einrichtungen der jüdischen Gemeinde Ichenhausen
Die jüdische Gemeinde von Ichenhausen ist mit ihren Institutionen und Gebräuchen ein typisches Beispiel für das Landjudentum. Die Religion prägte dort das jüdische Leben bis in den Alltag hinein. Sie erforderte für jede jüdische Gemeinde bestimmte Einrichtungen und Amtsträger: Synagoge und Schule, rituelles Tauchbad (Mikwe) und Friedhof; Rabbiner und Kantor, Lehrer und Schächter, Bruderschaften und Vereine. Vor der Zeit der Emanzipation bildeten die jüdischen Gemeinden geschlossene Gruppen, in denen die Gesetze, Feiertage, Reinheitsgebote und Speisevorschriften der eigenen Religion eingehalten werden konnten. Über die gemeinsame Sorge für Gottesdienst und religiöse Bildung hinaus bestand ein dichtes soziales Netz zur gegenseitigen Hilfe. Auch die Rechtsprechung bei internen Streitigkeiten lag in jüdischen Händen.
Fast jede jüdische Gemeinde verfügte über eine Mikwe, ein rituelles Tauchbecken, das nur mit natürlich fließendem Wasser (Grund- oder Regenwasser) gespeist werden durfte. Das vollständige Untertauchen darin dient der kultischen Reinigung. Es gibt zahlreiche Anlässe, bei denen diese vorgeschrieben ist; unter anderem müssen jüdische Frauen nach der Menstruation oder der Geburt eines Kindes die Mikwe aufsuchen. Im Keller der ehemaligen Synagoge Ichenhausen befindet sich eine Mikwe, die 2003/2004 restauriert wurde und besichtigt werden kann. Vermutet wird, dass dieses Ritualbad bereits aus der Zeit des ersten Synagogenbaus (1687) stammt und die Wände mit dem Bau der zweiten Synagoge um 1781 eingezogen wurden. Eine weitere, 1808 eingerichtete Gemeinde-Mikwe befand sich im sogenannten "Haus Krötenau", das einst auch als Dienstwohnung des Kantors diente und heute in Privatbesitz ist.
Neben der Synagoge und dem früheren Gebäude der Mikwe sind weitere ehemals jüdische Gebäude und Einrichtungen erhalten. Von der früheren Bedeutung des Rabbinats Ichenhausens zeugen noch heute das an die ehemalige Synagoge angebaute alte Rabbinatshaus und das repräsentative Neue Rabbinatshaus, das 1894/95 als Wohn-und Verwaltungsbau für den Ichenhausener Orts- und Bezirksrabbiner Rabbi Dr. Ahron Cohn errichtet wurde. Das Rabbinat Ichenhausen war nach 1813 zum Bezirksrabbinat erhoben worden und blieb dies bis zum Ende des Königreichs Bayern (1918), danach war es bis 1933 Distriktsrabbinat. Es erhielt 1833 eine eigene jüdische Volksschule unter staatlicher Aufsicht. Auf einer historischen Postkarte ist die frühere israelitische Schule vor 1906 mit vielen Schulkindern zu sehen. Ichenhausen war wohl die einzige jüdische Landgemeinde Bayerns, die bis 1942 eine eigene Schule besaß. Später wurde diese abgerissen. Das um 1862 errichtete Gebäude des früheren jüdischen Armenhauses ist hingegen noch erhalten. Zu den Aufgaben der jüdischen Gemeinde zählte es, für die Armen des Ortes Sorge zu tragen. Wesentlicher Bestandteil jüdischen Glaubens ist die praktische Nächstenliebe, die sich in Wohltätigkeit und Fürsorge für Arme und Kranke ausdrückt. Eine Chewra kaddischa (Vereinigung, die sich um die rituelle Beerdigung in der Gemeinde kümmerte) bestand bereits seit 1735. Auch der außerhalb von Ichenhausen gelegene große jüdische Friedhof ist noch heute vorhanden.
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